/ HAMBURGISCHE HAUSBIBLIOTHEK HERAUSGEGEBEN IM AUFTRAGE DER GESELLSCHAFT HAMBURGISCHER KUNSTFREUNDE, DER PATRIOTISCHEN GESELLSCHAFT UND DER LEHRERVEREINIGUNG FÜR DIE PFLEGE DER KÜNSTLERISCHEN BILDUNG HAMBURG 1919 GEORG WEST ER MANN AUSGEWÄHLTE GEDICHTE VON GUSTAV FALKE 21.-30. TAUSEND HAMBURG 1919 GEORG WESTERMANN Druck von Georg Westerraann, Brauoschweig Gern SCHWEIGEN Nun um mich her die Schatten steigen, Stellst du dich ein, willkommnes Schweigen, Du, alier tiefsten Sehnsucht wert. Sehr hab ich unter Lärm und Last Des Tags nach dir, du scheuer Gast, Wie einem lieben Freund begehrt. Das wirre Leben ist verklungen, In Höhen ging und Niederungen Längst jeder laute Schall zur Ruh. Urstimmen, die der Tag verschlang, Erklingen, mystischer Gesang — Ja, süßes Schweigen, rede du. Was über deinen stillen Mund Aus einem rätseltiefen Grund Mit leisem Murmeln quillt herauf, Ich halte zitternd meine Schalen Und fang die feinen Silberstrahlen Verborgner Quellen selig auf. EIN HARFENKLANG Der Wind, im dunklen Laube wühlend, bringt Zu mir den Ruf der wachen Nachtigallen : Dazwischen: welch ein Ton? Ein Fremdes singt. Woher die Stimmen, die bald sacht, Bald schwer aufklingen aus der Nacht Und jetzt wie in sich selbst verhallen? Der weiße Apfelzweig, Der sich vor meinem offnen Fenster wiegt, Ans Glas die feuchten Blüten schmiegt, Glänzt märchenhaft im Vollmondlicht, Und heilig schimmern Büsche, Beet und Steig, Mein Blick ist fassungslos geweitet: O welches hohe Fest ist hier bereitet Den feinen Seelen, die in Träumen leben Und unter jedem leisen Ton erbeben, Der von der Harfe der Gottheit klingt und kündet, Daß sie noch immer Zum alten Spiel die fleißigen Finger rundet Und noch zu Ende nicht ihr Lied gebracht. Sie endets nimmer, Horch, welch ein Klang der Liebe durch die Nacht I NACHTS^ IN DER TRÄUMENDEN STILLE Nachts in der träumenden Stille Kommen Gedanken gegangen, Nachts in der träumenden Stille Atmet, zittert ein Bangen, Nachts in der träumenden Stille, Ratlose quälende Fragen. Weit über alles Sagen Kommen Gedanken gegangen, Atmet, zittert ein Bangen Nachts in der träumenden Stille. DICHTERRAUSCH Wenn der Gott die Seinen ruft, Priester und Propheten, Schallts wie zwischen Felsenkluft Dröhnende Drommeten, Wirbelts wie Novembersturm Über Wälder nieder, Fährt wie Blitz in Dach und Turm, Schüttelt Herz und Glieder. Wenn der Gott die Seinen ruft, Klingts wie helle Flöten, Zieht es wie durch weiche Luft Sanfte Abendröten, Taut es mild wie Sphärensang Von den Sternen nieder, Rührt zu rhythmisch höhern Gang Herzen auf und Glieder. Und so fährt es, Schlacht und Zorn, Heut in uns wie Wetter, Daß wir, wie ein Eichenknorrn Ächzen im Geschmetter, Fährt zum andern sanft und glatt In uns wie ein Säuseln, Daß wir wie ein Rosenblatt Unterm Wind uns kräuseln. Drum wenn ihr auf Gassen seht Wie berauscht uns wanken, Wenn ein Gottbesessner geht, Ists ein trunknes Schwanken. Wenn der Geist in Wirbeln kreist, Werdewehn der Dichtung, Gehen unsere Füße meist Planlos aus der Richtung. GEBET Herr, laß mich hungern dann und wann, Satt sein macht stumpf und träge, Und schick mir Feinde, Mann um Mann, Kampf hält die Kräfte rege. Gib leichten Fuß zu Spiel und Tanz, Flugkraft in goldne Ferne, Und häng den Kranz, den vollen Kranz, Mir höher in die Sterne. WAS WILL ICH MEHR! Noch halt mit beiden Händen ich Des Lebens schöne Schale fest, Noch trink und kann nicht enden ich Und denk nicht an den letzten Rest. „Doch einmal wird die Schale leer, Die letzte Neige schlürftest du." So trank ich doch, was will ich mehr, Dem Tod ein volles Leben zu. ZWISCHEN ZWEI NÄCHTEN Der Morgen steigt und glüht und steigt, Und frohe Herzen beben; Ein Tag, und überschauert schweigt Das trunken reiche Leben. Und zwischen Auf- und Niedergang Blutwellenheißes Schlagen, Ein Hoffen tausend Leben lang, Ein Schmerz und ein Entsagen. Und ists nur einen Sonnenblitz, Daß uns ein Glück bereitet, Nur einen kurzen Sattelsitz, Daß Freude uns begleitet: Freiweg durchs Leben! Sprung und Sporn! Und Schwert und Schlacht und Scherben, Und Glück und Tück und Kranz und Dorn, Und rauscht der Tod durchs reife Korn, Ein Lächeln noch im Sterben. EIN TAGESLAUF Sitz ich sinnend, Haupt in Hand gestützt: Schöner Tag, hab ich dich recht genützt? Einen Kuß auf meines Weibes Mund, Liebesgruß in früher Morgenstund. Sorg ums Brot in treuer Tätigkeit, Offnes Wort in scharfem Männerstreit. Einen guten Becher froh geleert, Kräftig einem argen Wunsch gewehrt. Leuchtend kommt aus ewigem Sternenraum Noch zuletzt ein seliger Dichtertraum. Sinnend sitz ich, Haupt in Hand gestützt: Schöner Tag, ich hab dich ausgenützt. SONNENBLUMEN Am Abend zwischen Traum und Wachen, Ich dachte nicht grad an heilige Sachen, Vor mir der Nazarener stand. Die schönen Gottesaugen lagen Auf mir wie zwei freundliche Fragen. Hielt eine Blume in der Hand, Hochstengelig ein goldener Stern Lehnt an der Schulter unserm Herrn, Wie frommer Maler Engelsgestalten Ihre Friedenspalmen halten: Eine Sonnenblume, voll erschlossen, Von einem lieblichen Licht umflossen, Hob sich von seinem blauen Kleid Als ein glänzendes Geschmeid. So schwebte wie ein Nebel zart Vor mir die göttliche Gegenwart, Darauf ich holden Schreckens geblickt, Bis ich darüber eingenickt. Am Morgen, nach gesundem Schlaf, Stand mir der Sinn ins Feld hinaus, Wo ich auf eine Hütte traf, Ein leicht gezimmert hölzern Haus. Drum ragten als ein Schirm und Zaun, Als ein golden Gegitter anzuschaun, Hochsäulig aufgereiht beisammen, Sonnenblumen, zehn helle Flammen. Das war ein dichterlicher Platz, Wie nur am Wege hold versteckt Ein Sonntagskind ihn einmal entdeckt. Ein Wässerlein lief mit süßem Geschwätz Durch eine schattige Wiese hin, Sonst war die Stille hier Königin; Ihr König, der Frieden, saß auf der Bank Und putzte seine Krone blank. So oft ich dem Häuschen vorübergeh, Ein blau Gewand ich vor mir seh. Geht nicht, steht nicht, schwebt vielmehr In einiger Höhe vor mir her. Schöne Gottesaugen schlagen Sich nach mir auf mit freundlichem Fragen, Und von der Schulter unserm Herrn Nickt schwankend der goldne Blätterstern, Die Sonnenblume, voll erblüht, Von einem himmlischen Leuchten umglüht. War nie diesen Blumen recht gut gewesen. Schalt sie bäuerisch und gemein, Kamen mir vor wie Küchenbesen, Die gerne wollten Prinzessinnen sein. Aber so läßt, was wir verachtet, Ehs drüber getagt nur oder genachtet, Oft plötzlich die schlichte Hülle sinken Und uns seine heimliche Schönheit trinken. Besonders Poeten kommen oft Zu solchen Gnaden unverhofft. 10 AM HIMMELSTOR Ich träumte mich auf einem bangen Weg, Auf einem hohen, schwindelschmalen Steg, Der führte mich bis an das Himmelstor. Da stand ich lange, ohne Mut, davor. Und zitternd griff ich nach dem rostigen Ring, Das Himmelsglöcklein an zu läuten fing, Mein Herz erschrak vor seinem hellen Klang, Ein armer Sünder auf dem letzten Gang. Dann rasselte ein großes Schlüsselbund, Ein Knarren, bis der Himmel offen stund, Doch hascht ich nur von seiner Herrlichkeit Mit scheuem Blinzeln einen Streifen breit, Ein Wiesengrün und einen Engelsfuß. Sankt Peter barg mir jeden weitern Gruß Mit breitem Rücken und erschreckte mich Mit barscher Frage: „Freund, wer schickte dicni*" Mich schickte keiner. „Und was suchst du hier?" Nach Erdennot ein ruhiges Quartier, Ein Flügelpaar und himmlisches Gewand, Ein Tröpfchen Tau aus Gottes hohler Hand. „Hast du zu solchen Dingen auch ein Recht, Warst du auf Erden ein getreuer Knecht?" Ich war Poet. „Und kommst zu Fuß hier an? Wo hast du deine Flügel hingetan?" Ich schämte mich, weil sie so sehr beschmutzt, Und ihre schönsten Federn arg gestutzt, Weil durch das Fliegen nach dem Flitterkranz Des Menschenruhmes dunkel ward ihr Glanz. „Und deinen Kranz?" Ich hab ihn abgelegt, Daß man mit andern ihn zum Kehricht fegt, Und komm nun nackt und ohne Glorienschein. Da sprach der Pförtner gütig: „Komm, tritt ein." ii DIE GEDENKTAFEL (MEINEM BRUDER) Du wolltest, jung und hohen Sinns, Paläste baun und Tempel, Und sehntest dich, ein Haus zu sehn Mit deines Geistes Stempel. Was dir der Gott an Schönheit gab, Das liegt nun all im dunklen Grab. Der Tod, der Neidgeselle, Nahm dir zu früh die Kelle, Das Richtmaß und den Zirkel ab. Ich aber lebe noch im Licht Und bau auf meine Weise, Und bau an einem Tempel fromm, Darin ich bet und preise. Aus Liedern soll ein Haus ersteh n, Draus meine Augen fröhlich sehn, Darin vor allen Wänden In stillen Opferbränden Der Schönheit ewige Flammen wehn. Und eine Tafel bring ich an, Davor zwei Kerzen ragen, Die soll auf ihrem hellen Grund Nur deinen Namen tragen, Und soll mich mahnen früh und spät, Je herrlicher mein Haus gerät, Wie oft ein hohes Streben Sich bitterlich muß geben Und all in einer Nacht vergeht. MEINE GLÄUBIGER Ihr Hochmütigen, Euch mehr dünkenden, Ihr Pharisäer, Wie vieles danke ich euch. Nicht vielleicht alles? 12 Ich danke euch meine Einsamkeit, Mein Abseitssein; Ich danke euch meinen zornigen Stolz Und danke euch meinen Schmerz; Und mein Lachen danke ich euch, Mein stilles, einsames Lachen. Jegliche Spuren des tausendfüßigen Tages Bewahrt auf weicher, Wächserner Tafel die empfindliche Seele. Und auf den Knien die Tafel, Hockt brütend darüber die Einsamkeit. Und der Stolz tritt herrisch heran, Und mit schnellem, zornigem Knöchelschlag Klopft er bald hier, bald da Hart auf. Und der Schmerz, Über die Tafel geneigt, Gleitet mit leisem, durchsichtigem Krankenfinger Über diese, über jene Stelle: „Hier deine Ernte." Und wie der Bauer Beim Anblick seiner vollen Tenne Frischgefallenen Segens, Unterm Sichelschnitt gefallen, Jäh, weinend, Wer hörte das Weinen gemäheter Halme? Wie der Bauer, So lacht meine Seele und freut sich Ihres mehrenden Reichtums. Wie vieles danke ich euchl Alles vielleicht! — MORGENGANG Der Morgen warf, steh auf du Wicht, Mir goldne Perlen auf die Kissen, Da taumelte ich traumentrissen Vor sein erglühtes Angesicht. 13 Blank lag die Welt in seinem Glanz. Hinaus 1 Mein Herz war frisch und heiter 1 Durch Duft und Farben, weiter, weiter! Und jeder Schritt war Lust und Tanz. Und auf und ab ein großes Kind, Lief ich durch all die Morgenschöne, Und oben schwammen Lerchentöne Und Blütenblätter mit dem Wind. Da kam, da kam, durchs feuchte Kraut, Die frühen Freuden voll zu machen, Mein Schatz, und wurden Kuß und Lachen Und tausend süße Worte laut. AUF EINEM ANDERN STERN Die Purpurdecke deines Zeltes hebt Ganz langsam eine schmale weiße Hand, Und meine Königin, im Rosenschmuck Der schlaferquickten Jugend, grüßt den Tag. Seit gestern weilen wir auf diesem Stern, Millionenmal millionen Meilen weit Entrückt der Erde. Als ich von dir ging, Stand über mir der blasse Erdenmond, Und eines Wächters harte Stimme wies Von deines stillen Gartens Gitter mich, Vermutend den gesuchten Äpfeldieb. Seit gestern weilen wir auf diesem Stern, Und eine Nacht, der selbst der Wettgesang Von vielen hundert Nachtigallen nichts Vom Zauber ihres tiefen Schweigens nahm, Bracht uns Vergessen. Mißverständnis, Stolz Und jede Kluft, die Menschennarrheit schuf, Blieb hinter uns, und die Erinnerung starb. 14 Die Purpurdecke deines Zeltes hebt Ganz langsam eine schmale weiße Hand, Und meine Königin, im Rosenschmuck Der schlaferquickten Jugend, grüßt den Tag. Wie bist du schön im vollen Morgenglanz Der sieben Sonnen, die, ein reicher Ring, Hier unseres Glückes Wiegenbett umstehn. Schneeweiße Seide, lose aufgerafft Von goldnen Spangen, hüllt den schlanken Leib, Und nicht der kleinste Zierat weiter stört Der zarten Formen keuschen Linienfluß. Seit gestern weilen wir auf diesem Stern, Und niemals ist ein schönerer Morgen wohl Auf eine schönere Nacht, wo auch, gefolgt. Den sieben Sonnen wich die Siebenzahl Der sanften Silbermonde, die das Amt Der Wächter vor dem Liebeszelt versahn Und blaß und blässer wurden, stündlich mehr, Vor Neid und Neugier. Doch das dichte Tuch Des Purpurdaches wehrte jedem Blick, Selbst jeder Laut verfing im schweren Stoff Des Vorhanges sich, und wie ein Traumakkord Traf leis von draußen das Geschluchze nur Der lauten Liebessänger unser Ohr. Die Purpurdecke deines Zeltes hebt Ganz langsam eine schmale weiße Hand, Und meine Königin, im Rosenschmuck Der schlaf erquickten Jugend, grüßt den Tag. Ein wenig neigst die weiße Stirne du Und senkst den Blick, geblendet von dem Licht, Und hold verwirrt von dem Gedenken noch Der Nacht und ihrer süßen Heimlichkeit. Doch stürmisch reißt mein Arm dich zu mir her, Und stürmisch küßt mein Mund auf deinem Mund Den ersten Morgengruß des Weibes wach. Dann schreiten wir umschlungen in den Tag, Glücktrunken in das goldne Paradies, 15 Das niemals eines Menschen Fuß betrat. Denn unser ist der Stern, der uns jetzt trägt, Von Anbeginn, und unserer Liebe ward Er vorbestimmt in Gottes Weltenplan. KONFIRMATION Warst eben aus der Kirche gekommen, Das junge Herz noch heilig beklommen, Aber doch wieder weltlich so weit, Daß du mir zur linken Seit Brav Brötchen schmaustest am Frühstückstisch, Und nach dem Brötchen frech und frisch Das größte Stück nahmst von der Torte. Zur Rechten mir sprach würdige Worte Der Großpapa. Ihm hatte vor allen Des Herrn Pastoren Text gefallen: „Der Glaube macht es, der Glaube allein. Des sollen wir denn getröstet sein, Nicht lassen durch Spott und Hohn uns rauben Den wahren, einfältigen Christenglauben." Der Papa nach seiner stillen Art Lächelt in den weißen Bart: „Ich würde das alles auch unterschreiben, War ich Pastor. Bins nicht, laß es bleiben." Auch ich hätt gern vermerkt, was ich dacht, Aber es war nicht angebracht. Achte den Glauben nicht gering, Es ist um den Glauben ein trefflich Ding, Und ging er dir über in Fleisch und Blut, Fährst du wahrlich mit ihm gut. Von mir schon längst er Abschied nahm, Irgendwo mir abhanden kam. Sind mir nur die zwei andern geblieben: Das Hoffen, Kind, und das Lieben, das Lieben. Mit diesen beiden kam ich bisher Leidlich zurecht, oft etwas für guer, 16 Aber alles in allem genommen, Bin ich dabei zu Gewinn gekommen, Und möchte im Leben nicht anders fahren, Und bin doch schon einigermaßen bei Jahren. Du hast nun die Schule erst hinter dir, Die Welt liegt vor dir, ein blühend Revier, In das deine schönen, großen, grauen Augen erwartend und ahnend schauen. Dein schwarzes Kleid, dein süßes Gesicht, Deines Zöpfchens blondbraun Licht, Dein kindlich Wesen, dein schwellender Mund, Dein junger Leib, frisch und gesund: Wie ich so neben dir sitze, geht Es wie ein tief und fromm Gebet Durch mein ungläubig Herz, und leis, Verstohlen, nach frommer Beter Weis, Kreuz ich die Finger: Hoffen und Lieben, Die treu mir alle Tage geblieben, Wendet auch diesem Kind euch zu, Streut eure Rosen vor seinem Schuh, Daß es gleich mir mit hellem Mut Spricht dereinst: Das Leben ist gut. Du aber, Liebe, reich mir sacht Das Glas jetzt, ihr seis dargebracht. „Mein Fräulein, Ihr spezielles Wohl." — Daß doch der Teufel das Rotwerden holl LOCKUNG Schönes Kind von fünfzehn Jahren, Gertenschlank, mit blonden Zöpfen, Mit dem Strickstrumpf vor den Töpfen, Ach, was läßt sich da erfahren? Mußt mit hellen Augen schaun Übern Zaun. Kalke, Gedichte-Auswahl \J Hast du übern Zaun gesehen, Gertenschlank, mit blonden Zöpfen, Mit dem Strickstrumpf vor den Töpfen, Magst du dann nicht länger stehen. Ist im Zaun kein Pf Örtchen drin? Sieh doch hin. Zaun und Pförtchen erst im Rücken, Schönes Kind von fünfzehn Jahren, Ach, was wirst du da erfahren! Kann das Leben so beglücken? Wieviel Glanz und Herrlichkeit Weit und breit. Gertenschlank, mit blonden Zöpfen, Wirst nicht lang alleine bleiben, Und wie anders ist solch Treiben Als das Stricken vor den Töpfen. Ist im Zaun kein Pförtchen drin? Sieh doch hinl Schönes Kind von fünfzehn Jahren, Durch den Garten katzenleise Machst du bald dich auf die Reise. Darin bin ich schon erfahren. Klirrt der Riegel? — Siehst dul da Bist du ja. OPTISCHE TÄUSCHUNG Schwankt dort in der Ferne nicht Leis im Wind ein roter Mohn — Oder täuscht mich mein Gesicht? Aber näher kommt es schon, Und es ist kein roter Mohn. 8 Bauernrosenriesige Blüte Naht es, und der Herr behüte Gnädig uns vor allem Bösen 1 Wenn sich erst die Blumen lösen, Einzeln durch die Welt zu rennen, Muß der Teufel mit im Bund sein. Doch wie könnt ichs nur verkennen. Was könnt auch so rot und rund sein? Meine liebe, hübsche, runde, Morgenfrische, kerngesunde Kleine ist es, mit dem strammen Schritt, mein tapfrer Füselier. Wie die drallen Wangen flammen 1 Aber röter flammt die Zier Über ihrem Sommerhut Mit dem zarten Federlila. War ein Stier ich zu Sevilla, Ich geriet in große Wut Vor dem Sonnenschirm, dem roten, Den sie schultert, wie der Krieger Sein gefährlich Schießgewehr: Wollt ihr was, so kommt nur her. Jede Wut ist hier verboten, Denn ich war der Unterlieger, Wenn ich wild, wie zu Sevilla, Auf den Bandiller der Stier, Stürzte auf den Füselier Mit der Feder zart und lila Auf dem neuen Sommerhut, Und dem Schirm, so rot wie Blut. Und ich hab doch sonst wohl Mut. Aber hier geht er verloren. Kalte, scharfe Blicke bohren Tapfer drohend sich in meine, Und es schwenkt dabei die Kleine, 19 Diese liebe, hübsche, runde, Morgenfrische, kerngesunde Mit der unbeschirmten Rechten; Alles ist so klar zum Fechten, Daß ich klug zur Seite weiche. Und der bauernrosengleiche Schirm entwandelt, schrumpft zusammen Und verzwergt sich, bis sein Flammen Wieder aus der Ferne scheint, Daß man einen Mohn vermeint Auf bewegtem Halm zu sehn, Einen Mohn im Sommenvehn. DAS MITLEIDIGE MÄDEL Trug mein Herz ich auf der Hand, Wehte ein Wind her übers Land, Weg war es. Kam ein Mütterchen. Mit Verlaub, Habt Ihr mein Herz? Die Alte war taub, Nickte nur. Kam der Jäger, brummte was, So ein Herz, was schert mich das, Frag weiter. Fragt ich die Wege auf und ab, Keiner mein Herz mir wieder gab, Weg war es. Kam zuletzt des Hufschmieds Kind. Mädel, sahst du kein Herz im Wind? Lachte sie leis: Hats auch der Wind nicht, hast du doch keins, Dauerst mich, Bub; da, nimm meins. Aber halts fest. 20 DAS HERZ Aus grünem Waldesdämmerdunkel Tret plötzlich ich in helles Licht, Da grüßt aus goldnem Glanzgefunkel Mich ein entzückendes Gedicht: Ein Marmorhaus in lauter Rosen, Ein Säulenrund, wo Schaft und Schaft Verstrickt in eines leichten losen Gerankes holder Liebeshaft. Und in der stillen Tempelgrotte Hebt sich ein schlankes Postament, Darauf sternblank dem Liebesgotte Ein Erzbild in der Sonne brennt. Den Pfeil auf dem erhobenen Bogen, Darüber er sein Ziel eräugt, Steht er, die Sehne straff gezogen Zum Schuß, ein wenig vorgebeugt. Und vorn an des Geschosses Spitze, Wie man den Heiligen Opfer bringt, An einer schlichten, wollnen Litze Ein wächsern Herz im Winde schwingt. Das zeigt von warmen Fingermalen Im weichen Wachs ein Konterfei, Und eine Spur, als ob in Qualen Ein Weinen drauf gefallen sei. Und eine abgepflückte Rose, Wie ein verlornes Liebespfand, Liegt da, und Stapfen rings im Moose Und weiterhin im glühenden Sand. Die tauchen in die Buchenschatten Und finden ungesehn nach Haus, Und niemals plaudern diese Matten Das zärtliche Geheimnis aus. 21 Und einsam in des Mittags Gluten Am Pfeil des Gottes schmilzt das Herz Und tropft, ein langsames Verbluten, In roten Tränen niederwärts, Und tropft in roten, heißen Tränen Auf weißen Marmors kalt Geleucht, Von ungestillter Liebe Sehnen Ein rührend Gleichnis, wie mir deucht. DIE VERSCHMÄHTE Komm ich längs der grünen Weide, Wo die kleinen Lämmer grasen, Immer hör ich mir zu Leide Eine helle Flöte blasen. Und da hockt er morgenmunter Auf umbuschtem Erlensitze, Bläst sein leichtes Lied herunter, Sich, den Schafen und dem Spitze. Geh ich zehnmal hin und wieder, Wird er zehnmal mich nicht sehen; Und doch leuchtet rot mein Mieder, Und die hellen Röcke wehen. Unerhörte Liebesnöte Jeden Tag und jede Stunde. Lag doch statt der dummen Flöte Ich einmal an seinem Munde! Doch er kann den Mund nur spitzen, Wenn es gilt, die Flöte blasen; Nichts kann ihm das Blut erhitzen, Als wenn Lämmer abseits grasen. Und in diesen Tölpel muß ich, Dumme Liese, mich vergucken. Ach, wie fühl nach seinem Kuß ich Meine Lippen jucken 1 22 DAS MÄDCHEN MIT DEN ROSEN Zwei Rosen, die an einem Strauch Zusammen aufgeblüht, Von einem knospenhaften Hauch Noch lieblich überglüht, Ein Mädchen brach wohl über Tag Das schwesterliche Paar: Der Mutter, die im Sterben lag, Bracht sie die eine dar, Die andre aber legte dann Mit ihrem ersten Schmerz Sie weinend dem geliebten Mann, Trostheischend, an das Herz, Und glühte selig auf und stund, Noch halb den Tod im Sinn, Und bot den jungen Rosenmund Dem warmen Leben hin. DAS GARTENFEST Rosen, Guitarren und Lachen 1 Schatten geistern von ferne — Ach wie bald, und der heiterste Tag Schläft, und es wandeln die Sterne. Becher und atmende Brüste! Glück ist ein Augenblinken — Einmal muß auch der zärtlichste Arm Vom Nacken sich lösen und sinken. Trübsinn ist Sünde, seid fröhlich! Horch! wer trat in den Garten? Sieh in geöffneter Pforte den Tod, * Wortloses Winken und Warten. 23 Fräulein, was brachte Euch Schrecken? Lachen verstummt und Geklimper — Klirrendes Glas und entblätterter Kranz, Seufzer und sinkende Wimper. DER REITER Ich sah zurück auf lange Strecken, Die ich durch tiefen Sand hinging. Hier, da, an kahlen Hecken Ein bunter Fetzen hing. Das Glück war mir vorausgeiitten, Ich sah seinen roten Mantel wehn, — Könnt doch mit meinen müden Schritten So schnell nicht gehn. Wer hält da vorn im Weg und richtet Sein Rabenrößlein auf mich her, Von einem fahlen Glanz umlichtet? Mein Herz bangt sehr. „Hast du das Glück nicht reiten sehen, Du lieber Rittersmann? Einen roten Mantel im Winde wehen Mit goldner Troddel dran?" Da sprach der Tod, und ich erbleichte: „Dein Glück hält hier", Und aus dem Sattel reichte Er seine harten Hände mir. DER TÖRICHTE JÄGER Er zog hinaus, das Glück zu fangen, Und jagte mit erhitzten Wangen Bis in den späten Abendschein. Umsonst, es war ein schlimmes Jagen, Er "kehrte müde und zerschlagen In seine warme Hütte ein. 24 Da saß in schlichtem Werkelkleide, Dem wilden Jäger schier zu Leide, Am Herde eine stille Magd. Sie reichte ihm den Trunk, den Bissen, Und ging zu Hand ihm, dienstbeflissen, Wie es dem müden Mann behagt. Sie hatte still sich eingefunden Und ungefragt, vor Jahr und Stunden, Und ihre Treue nahm er hin. Heut saß sie blaß zu seinen Füßen, Er ließ sie seinen Unmut büßen, Das flüchtige Wild lag ihm im Sinn, * Und muß ich mich zu Tode hetzen, Es soll mein heißes Herz ergetzen, Rief er und rief sein letztes Wort, Und kehrte grollend ihr den Rücken Und setzte über Traumesbrücken Die Jagd nach seinem Wilde fort. Am Morgen, eh die Vögel girrten, Erwacht er. Seine Blicke irrten Schlaftrunken über Bett und Wand Und hin zum Herd. Da stand im Scheine Des Feuers, bleich am weißen Steine, Die Magd, ihr Bündel in der Hand. Wohin? Was treibt dich? — Laß mich wandern, Mein Dienst gehört jetzt einem andern, Leb wohl, ich kehre nicht zurück. Schon stand sie draußen vor der Pforte, Er hört nur noch die Abschiedsworte: Vergiß mich nicht, ich war das Glück. 25 SOMMERGLÜCK Blütenschwere Tage In Düften und Gluten rings, Mein Herz tanzt wie auf Flügeln Eines trunkenen Schmetterlings. Die Rosen über den Mauern, Der Birnbaum darüber her, Alles so reich und schwer In sehnenden Sommerschauern. Das juligelbe Land Mit dem träumenden Wälderschweigen Fern am duftigen Rand, Darüber die Wolken steigen — O, wie sag ich nur, Was alles mein Wünschen ins Weite führt! Mich hat des Glücks eine leuchtende Spur Mit zitternder Schwinge berührt. AUF FLÜGELN Herz, erträgst du diese Freude, Trägst du so viel Seligkeit? Himmel, Erde: eine Sonne Und ein Blühen weit und breit. Wo die überglühten Wipfel Baden hoch im Morgenhauch, Wo die weißen Mauern winken, Wohnt der schöne Frühling auch. Jeder Schlag der raschen Pulse Ruft das holde Ziel heran, Und die Ferne wird zur Nähe, Und die Liebe hats getan. 26 Durch den Garten, über Stiegen, Wie auf Flügeln hebt es dich; Schneller als die schnelle Schwalbe, Höher schwingt die Liebe sich. Himmelspforten, welch Willkommen! öffnen glänzend sich und groß, Und der freche Vogel flattert Einem Engel in den Schoß. VON WEISSEN ROSEN Das Glück teilt seine Rosen aus, Macht auch wohl mal ein Kränzlein draus, Aus roten, die gleich Sonnen glühn, Aus weißen, die gleich Sternen blühn. Der roten viel am Wege stehn, Die weißen muß es suchen gehn. Viel flinke Hände schickt es aus, Hilfsenglein sucht von Haus zu Haus: Ein Wunsch, von Herz zu Herz gedacht, Ein Seufzer in verschwiegener Nacht, Ein Tränlein, oder was es sei, Gib acht, flieg nicht daran vorbei! Mein Garten ist voll weißen Glücks. Das Englein siehts: Wie lieblich! Pflücks Für sie, für dies in Blüte steht: Ein Morgengruß. Ein Nachtgebet. Ein Habdichlieb! Ein Denkedein! — Ihm zittern vor Freude die Flügelein. Und alle Rosen, die es fand, Nimmt es in seine weiße Hand, Und wo es nur ein Röslein nahm, Sogleich ein anderes wiederkam. So findets immer einen Flor Für dich erblühter Rosen vor. 37 Da macht das Glück die Augen groß, Hat einen überreichen Schoß: Das langt ja bis zum jüngsten Tag, Obs Mädel den erleben mag? Und geht es eh zum Himmel ein, Bringts lauter Rosen mit hinein! Und sinnend siehts, närrischer Traum, Es schon vorweg im Himmelsraum; Gar lieblich gehts mit seinem Kranz Und überstrahlt der Engel Glanz. Im Schürzlein hat es, weiße Pracht, Ein Häuflein Rosen mitgebracht. Als unversehns vor Gott es steht, Ein Schreck ihm durch die Glieder geht. Die Rosen fallen ihm aus dem Schoß, Sogleich geschieht ein Wunder groß : Was eben weiße Blüte war, Wird eine lichte Bubenschar: Ein Morgengruß. Ein Nachtgebet. Ein Wunsch, der sich verschämt verrät. Ein Tränlein, still in sich hinein. Ein Habdichlieb. Ein Denkedein. Die knien, ein lieblicher Kranz, mit stumm Gefalteten Händchen um sie herum. Der Herr, halb lächelnd, halb gerührt, Ein seltsam Herzbewegen spürt. Und ist kein Laut im Himmel drin, Sehn alle auf die Holde hin. Die steht verwirrt, verschämt — da fällt Das Glück jäh aus der Himmelswelt. Mein Englein kommt, sein Schelmblick lacht, Mit einer neuen Rosenfracht. Kein Märzgestöber fällt so dicht, Wie jetzt ein Schnee herniederbricht. Halt! ruft das Glück, weiß überschneit, Das reicht für Zeit und Ewigkeit J 28 FROMM Der Mond scheint auf mein Lager, Ich schlafe nicht, Meine gefalteten Hände ruhen In seinem Licht. Meine Seele ist still, sie kehrte Von Gott zurück, Und mein Herz hat nur einen Gedanken Dich und dein Glück. MÄRCHEN In deiner lieben Nahe Bin ich so glücklich. Ich mein, Ich müßte wieder der wilde, Selige Knabe sein. Das macht deiner süßen Jugend Sonniger Frühlingshauch,. Ich hab dich so lieb. Und draußen Blühen die Rosen ja auch. O Traum der goldenen Tagel Herz, es war einmal. Abendwolken wandern Über mein Jugendtal. EINE LIEBE Fast noch ein Kind und hast Gewalt schon, bist Schon Herrin über mich, der nun sein Glück Einzig an deiner Huld und Güte mißt, Demütig dein, und kann nicht mehr zurück. O junge Herrin, unter gütigem Stern Sind meine stillen Jahre hingegangen, Doch träumte mir von einer Insel, fern, Ach so traumfern, wo solche Lieder klangen. 29 Wie sie mein waches Ohr niemals vernahm, Süß wie das Singen lockender Sirenen, Und wo verschwiegenem und tiefstem Sehnen Selige Erfüllung hold entgegenkam. Ein neuer Stern ist leuchtend aufgestiegen, In seinem Licht seh ich das Ufer liegen, An das die Wasser meiner Sehnsucht schäumen In wehem Wachen und in kranken Träumen, Und all mein Leben zittert ihm entgegen. Laß mich die Hand in deine Hände legen, Auf deinen Schoß die heiße Stirne senken, Und wenn mich dann dein leiser Atem trifft, Glauben, das Meer der Sehnsucht sei durchschifft, Und meine Seele sich im Hafen denken. Ja, holde Herrin, fast noch Kind, und schon Vom Schicksal ausersehn für einen Thron, So herrlich wie kein König ihn besteigt, Nimm hin mein Herz, das sich dir willig neigt, Dies reiche Herz, das eine Welt umschließt Und heiße Lebensströme in sie gießt, Ein Herz, so reich, daß es sich arm nicht gibt, Und das sein Alles hingibt,- wo es liebt O Lieb, dies sind nicht rasche Schwärmerworte, Nicht Schwüre eines leicht entflammten Knaben. Ein Jahr lang hielt verschlossen ich die Pforte, Warf hinter mich den Schlüssel. Mählich haben Die Riegel sich gelockert, und nun drängt Gefangene Glut, bis sie die Pforten sprengt. 3o Nie hat es keuschere Leidenschaft gegeben, Wenn Leidenschaft denn keusch sein kann und ist, Die ja ihr Recht nur an sich selber mißt. Liebe sucht Liebe, Leben will zu Leben, Und wenn es sucht und sehnt: nenns Leidenschaft, Nenns Liebe, Mädchen, keusch ist jede Kraft, Die Leben wirkt. Und also lieb ich dich, Und so, in Keuschheit, will ich dich für mich. Es darf nicht sein! Ich hab ein liebes Weib Und liebe Kinder. Meine Seele ringt. Ists auch nicht Sünde, was sie niederzwingt, Daß wie im Fieber schauern Herz und Leib, Die Tage elend, meine Nächte schwer, Schlaflos, oder von wilden Träumen krank — Es darf nicht seinl So grundlos wälzt kein Meer Sich zwischen zwei getrennten Ufern hin, Als ich von dir durch die geschieden bin, Die älteres Recht auf Liebe, Treue, Dank, Auf alles, was ich hab und bin, ihr nennen. Würd ich in ihrer Augen reinem Spiegel, Den nie ein Argwohn trübt, mich wiedererkennen, Zerbrach ich die beschworenen heiligen Siegel, Verriete sie und träte vor sie hin Mit Schmeichelwort, ein andrer als ich bin, Küßt sie mit Lippen, drauf dein Kuß noch blühte, Mit Worten, drin heimliche Glut noch glühte Verstohlenen Glücks, das nicht ihr Glück, und legt Heuchelnd den Arm um die, die schwach und blaß Mich täglich mahnt, daß sie von allem, was Mich eh an ihr entzückt, den Kindern gab, Und ihre ehrfurchtswürdige Armut trägt Wie eine Fürstin, deren Altersstab Der edle Stolz erfüllter Pflicht allein Und ihres kleinen Volkes Liebe? Nein, Es darf nicht sein! Doch meine Seele schreit Laut auf in ihrem fürchterlichen Streit. 3* Ists auch nicht Sünde, weil es Liebe ist, Nicht Sinnengier, die schlangenzähnig frißt - Mein Tag ist elend, meine Nächte schwer, Schlaflos oder von wilden Träumen krank, Und Sünde kann es werden, nackt und blank. Ach, süßes Lieb, ich liebe dich so sehr. DER PARKTEICH Ein stiller Teich träumt im verlassnen Park, Von sonnendunklem Laub dicht überschattet. Nur manchmal, wenn der Wind heftiger rauscht, Huscht ein verlorner Lichtstrahl übers Wasser, Und zittert ein erschrockenes Wellchen auf Und hastet ängstlich in das Uferkraut. Einsamer Weg führt um den stillen Teich, Gleich ihm von hängenden Zweigen überdämmert. Halbausgelöschte Spuren sind im Weg Vom Regen halb verwaschen und vom Wind Sacht überstäubt. Von wem erzählen sie? Mir ist, als müßte diese große Stille Ein Mädchenlachen plötzlich unterbrechen, Aus ihrem grünen Traum aufstören. Wenn der Wind Das Laub ein wenig hebt, und in dem Spiegel Des dunklen Teichs ein Licht aufblitzt, gedenk ich Eines tieflieben, jungen Augenpaares, Das ich aus einem stillen Mädchentraum Manchmal aufleuchten sehe, und ich meine, Es hätte hier wohl einmal vor dem Bild Parkstillen Friedens lieblich sich erhellt. Ein sanftes Wellchen hebt sich an das Ufer. Will es den Platz mir zeigen, wo sie stand? Wo sie gesessen? Leise rauscht das Laub. Es ist ein Flüstern. Ach, was flüsterts doch? 32 Nichts. Nur ein Laub im Wind. Doch in mir wacht Ein Holdes auf und sucht nach Worten, findet Nur einen lieben Namen, und der schwebt, Leise dem Wind vertraut, über den Teich. Bewahr den Namen, märchentiefe Stille, Bewahre ihn, daß er, ein süßer Laut Der lieblichen Natur, hier Heimat hat. Und kehrt sie wieder, wandelt einmal noch Durch diesen Frieden, der nun doppelt heilig, Mag sie, wie ich heut, lauschend stehn und fragen: Was flüstert doch das Laub? Und mag erröten Und lächeln, meint sie, übern Teich her ruft Ein andrer sie mit Namen. Leise rauscht Das sommerdunkle Laub rings um den Teich. Ein Sonnenlächeln zittert auf dem Spiegel. Und horch I Ein Mädchenlachen? Nein, Herz, nein. Traumstille Einsamkeit nur atmete Einmal aus ihrem Frieden selig auf. BESITZ Die Sonne überstrahlt dein Bild, Mein Herz wird warm und freut sich. Dein liebes Bild. Alles Licht ferner Tage erneut sich. So recht in tiefstem dankbar sein, Daß ich dir durfte begegnen, Diese Frucht blieb mein. Kann Liebe ein Leben reicher segnen? Ich durfte dich nicht besitzen, es war Viel Schmerz meiner Liebe beschieden. Es war. Nun ist alles Freude und Frieden. Falke, Gcdichte-Auawahl 33 ERINNERUNG In meinen Versen weint und lacht, Was mir mein Leben reich gemacht. Wie mir das stille Tröstung gibt: Ich habe dich so sehr geliebt. Auch du blickst wohl darauf zurück; Und wars dir auch kein großes Glück, Wars doch vielleicht, mags wenig sein, Ein Wegestreckchen Sonnenschein. AUS DEM TAKT Mein Weib und all mein holder Kreis, Mein Kind und all mein lachend Glück Ich rühre an die Saite leis, Wie hell klingt es zurück. Nur manchmal, wenn von ferne ich Die großen Ströme rauschen höre, Wenn sich der vollem Lebenschöre Ein Ton in meine Stille schlich, Schrei laut ich auf und hebe Klag: Mehr Licht, mehr Licht, nur einen Tagl Und blutend leg ich, abgewandt, Mein Herz in eure Liebeshand, Bis es von aller Angst entbunden Und wieder seinen Takt gefunden, Den Gleichtakt zwischen Wunsch und Pflicht. H erddämmerglück, H erddämmerlicht. HEIMKEHR Du weißt, ich hab dich lieb gehabt, Und immer gleich, an jedem Tag, Ob ich ein wenig Glück uns fing, Ob still in Sorgen abseits ging. 34 Da kam ein Frühlingssonnenschein Und kam ein junger Rosentag, Ich stand in lauter Rausch und Traum An eines fremden Gartens Saum. Aus holder Morgenlieblichkeit Klang da ein Lied, so süß, so süß, Daß ich im Lauschen mich verlor Und hatt für deinen Ruf kein Ohr. Doch gab des Gartens Tür nicht nach, Ein zweifach Schlößlein lag davor, Das hat den Träumer aufgeweckt, Ihn auf sich selbst zurückgeschreckt. Er riß sich los und kehrt nun heim Und drängt sein Herz an deines hin. Trotz Rausch und Traum, du fühlst, es blieb Das alte Herz und hat dich lieb. TEMPELHÜTERIN Das hab ich dir zu danken, Daß du die grünen Ranken Des Glücks zu einem stillen Zelt mir biegst, Davor du ohne Klagen Getreu an allen Tagen Als meines Friedens wache Hüterin liegst. Du hörst die leisen Klänge, Die heimlichen Gesänge, Und horchst mit einem halben Ohr hinein, Und durch des Vorhangs Falten, Den deine Hände halten, Dringt nicht des Tages frecher Lärm und Schein. 35 3' So läßt du mich gewähren Und weißt den Gott zu ehren, Der herrisch dich von meiner Seite scheucht, Und träumst von Ruhmessternen Und siehst in goldne Fernen Mit einem stillen, seligen Geleucht. SPÄTE ROSEN fahrelang sehnten wir uns, Einen Garten unser zu nennen, Darin eine kühle Laube steht Und rote Rosen brennen. Nun steht das Gärtchen im ersten Grün, Die Laube in dichten Reben, Und die erste Rose will Uns all ihre Schönheit geben. Wie sind nun deine Wangen so blaß, JJnd so müde deine Hände. Wenn ich nun aus den Rosen dir Ein rotes Kränzlein bände Und setzte es auf dein schwarzes Haar, Wie sollt ich es ertragen, Wenn unter den leuchtenden Rosen hervor Zwei stille Augen klagen. VOR SCHLAFENGEHEN Die Kinder schlummern in den Kissen, Weich, weichen Atems, nebenan, Ein Traum vom heutigen Tag, und wissen Nicht, was mit diesem Tag verrann. 36 Wir aber fühlten jede Stunde, Die uns mit leisem Flügel streift, Und wissen, daß im Dämmergrunde Der Zeit uns schon die letzte reift. Wir sitzen enggeschmiegt im Dunkeln. So träumt sichs gut. Und keines spricht. Durchs Fenster fällt ein Sternenfunkeln, Vom Ofen her ein Streifchen Licht. Einmal, im Schlaf, lacht eins der Kleinen Ganz leis. Was es wohl haben mag? Springt es mit seinen kurzen Beinen Noch einmal fröhlich durch den Tag? Ein Mäuschen knabbert wo am Schrägen, Knisternd verkohlt ein letztes Scheit, Die alte Uhr hebt an zu schlagen — Da sprichst du leis: Komm, es ist Zeit. MEINEM KINDE Du schläfst, und sachte neig ich mich Über dein Bettchen und segne dich. Jeder behutsame Atemzug Ist ein schweifender Himmelsflug, Ist ein Suchen weit umher, Ob nicht doch ein Sternlein war, Wo aus eitel Glanz und Licht Liebe sich ein Glückskraut bricht, Das sie geflügelt herniederträgt Und dir aufs weiße Deckchen legt. 37 MUSIK Eine Musik lieb ich mehr Als die schönste der größten Meister. Täglich klingt sie um mich her, Klingt täglich lauter und dreister. Ich liebe sie sehr, und doch, es gibt Stunden, da muß ich sie schelten, Dann ist für die, die das Herz so liebt, Ein Donnerwetter nicht selten. Da schweigt sie wohl erschrocken still, Doch dauert die Pause nicht lange, Und wenn ich der Ruhe mich freuen will, Ist sie wieder im besten Gange. Zuletzt geb ich mich doch darein Und lache: laß klingen, laß klingen! Und hör durch des Hauses Sonnenschein Vier Kinderfüße springen. ES SCHNEIT Der erste Schnee, weich und dicht, Die ersten wirbelnden Flocken. Die Kinder drängen ihr Gesicht Ans Fenster und frohlocken. Da wird nun das letzte bischen Grün Leise, leise begraben. Aber die jungen Wangen glühn, Sie wollen den Winter haben. Schlittenfahrt und Schellenklang Und Schneebälle um die Ohren! — Kinderglück, wo bist du? Lang, Lang verschneit und erfroren. 38 Fallen die Flocken weich und dicht, Stehen wir wohl erschrocken, Aber die Kleinen begreifens nicht, Glänzen vor Glück und frohlocken. DIE BODENKAMMER Das war auf unsrer Bodenkammer, Wo schräg das Dach darüber lief. Ach, was verschloß die rostige Klammer Der schweren Tür! Von keinem Brief Wurd je ein Siegel weggebrochen Mit so erhöhtem Herzenspochen, Als wir zum Paradies dort oben Die schwere Luke keuchend hoben. Da gab es einen Tannenbaum, Vom letzten Fest noch aufgehoben, Der fuhr als Schlitten durch den Raum, Daß Staub und trockne Nadeln stoben. Da gab es eine Wäschemangel, Die rollend an zu kreischen fing, Wie noch in keiner rostigen Angel Je eine alte Türe ging. Da gab es eine leere Kiste, Ganz wie gemacht zum Höhlenhaus, Ein morsches Ding, ein Wurmgeniste, Und Spinnen tapeziertens aus. Doch Kindersinn hat Zauberkraft Mehr als die Lampe Aladins, Ein Wunsch — da baut sich Schaft an Schaft Das schönste Schloß, Fürsten beziehns. 39 Dann war da eine alte Wanne, Die, leck, schon längst kein Wasser sah, Und eine alte Gärtnerkanne, Durchlocht und ganz zerbeult, war da. Das war ein Trommeln und Trompeten I Herr Hauptmann und Herr General! Das ganze Bataillon antreten! Zu Pferde stieg der Feldmarschall. Und ja uas Pferd! Kein Blücher drückte Ein bessres unterm Siegeslaub. Port floß der Rhein, der überbrückte, Dort der Kartoffelsack war Kaub. Der alte brave Schaukelschecke Fiel vom Galopp in pleine carriere Und mitten in der Feinde Heer, Kam er dabei auch nicht vom Flecke. Ach Gott, was schlössen diese Wände Nicht alles ein, die ganze Welt, Von einem bis zum andern Ende, War zwischen ihnen aufgestellt. Im schiefen Dach das kleine Fenster Warf Licht in ein unendlich Land, Wo Räuber, Könige und Gespenster Das Kind in jedem Winkel fand. O könnt ich einmal noch im Leben Die knarrenden Stufen da hinan, Die alte schwere Luke heben Und in der Bodenkammer dann Noch einmal auf dem Schaukelpferde Napoleon in Ägypten sein Und mit tyrannischer Geberde Die Welt in Grund und Boden schrein. Aus manchem Sattel mußt ich gleiten, Drin ich ein Feldherr mich geglaubt, Und mußte still zu Fuß dann schreiten, Ein Wandrer, den der Weg bestaubt. 40 O Rößlein meiner Knabenspiele, Du trugst mich schlank an alle Ziele, Die mein Papierhelm vor sich sah — Ein Gertenschlag: Viktoria I DIE FEINEN OHREN (MEINER MUTTER) Du warst allein, Ich sah durchs Schlüsselloch Den matten Schein Der späten Lampe noch. Was stand ich nur und trat nicht ein? Und brannte doch, Und war mir doch, es müßte sein, Daß ich noch einmal deine Stirne strich Und zärtlich flüsterte: Wie lieb ich dich. Die alte böse Scheu, Dir ganz mein Herz zu zeigen, Sie quält mich immer neu. Nun lieg ich durch die lange Nacht Und horche in das Schweigen, Ob wohl ein weißes Haupt noch wacht. Und einmal hab ich leis gelacht: Was sorgst du noch, Sie weiß es doch, Sie hat gar feine Ohren, Ihr geht von deines Herzens Schlag, Obwohl die Lippe schweigen mag, Auch nicht ein leiser Ton verloren. 41 KÜNSTLER Ein liebes Buch hält meine Hand, Darin ein herrlicher Poet, Was er an seltnen Schätzen fand, Aus reicher Fülle um sich sät. In allen guten Tönen sang Der gottbegabte Liedermund Und führte mich im Eifergang Gleich um ein ganzes Erdenrund. Und führte mich durch tiefes Tal Und über hohen Zackenschroff, Durch manchen freudenhellen Saal Und Gärten, wos von Düften troff. Und meinem wackern Schweizersmann, Den sie auf Gottfried einst getauft, Hab ich ein feurig Ruhmgespann In eitel Dankbarkeit gekauft. Doch neben mir am Tischchen steht Mit Stift und einem Briefpapier Ein freilich kleinerer Poet, Drei Käse hoch, vielleicht auch vier. Der malt in Runen wundersam, Was seine junge Seele träumt, Und wenn die Schrift zu Rande kam, Beschreibt den Tisch er ungesäumt. Auf einmal zerrt er mich am Rock, In Anstandsformen nicht genau, Und reicht mir seinen Schreibestock: Papa, ach bitte, ein Wauwau I 42 Und läßt nicht nach und quält und rührt, Bis ich in ungeübtem Tun Den Stift aufs weiße Blatt geführt, Halb wards ein Hund und halb ein Huhn. Papa, ein Pferd. Papa, ein Hahn. Er will das ganze Tierreich sehn, Und sieht in seinem schönen Wahn Die Schöpfung neu durch mich entstehn. Doch bald, so schwerer Kunst erlahmt, Leg ich das Blatt in seine Hand, Und selig hat er nachgeahmt, Was dort an krausen Wundern stand. Ich aber greif aufs neu zurück Nach meines Zürchers Perlenschrein. Hier Meisterstück, dort Kinderglück, Poeten groß, Poeten klein. KONSEQUENZ In meinem Gärtchen, zwei Fuß vom Weg, Hinter dem niedern Gittergeheg, Blüht mir ein blauer Syringenstrauch, Meine Freude, und meiner Kinder auch. Aber die Buben von den Gassen, Die Racker, können das Räubern nicht lassen. Wenn sie früh in die Schule gehn, Ein Kleinster bleibt begehrlich stehn, Ein zweiter stellt sich daneben auf Und schielt mit ihm zum Bäumchen hinauf, Möchten gerne von den Syringen Ein Zweiglein mit in die Klasse bringen. 43 Kommt ein dritter, hops, wie er hupft, Hat sich ein paar Blätter gerupft, Aber der Grünkram genügt ihm nicht, Er ist mal auf Syringen erpicht. Noch einmal, hops! — Euch will ich kriegen. Ich klopf ans Fenster. Hei, wie sie fliegen. So ein Bubenvolk ist schlimm, Gefällt ihm was, gleich denkt es: nimm! Aber daß auch die Mädel — ich bitt, Kommen da welche gleich zu dritt, Recken die Hälschen, drehen die Köpfchen Ängstlich und schlenkern mit den Zöpfchen. Hebt sich die längste auf den Zehn, Einmal, zweimal, es will nicht gehn. Gehuschel, Getuschel. Mädel sind klug; Hat sie, bevor ich ans Fenster schlug, Das kleinste schnell auf den Arm genommen Und die allerschönsten Syringen bekommen. Ich drohe ihr, sie lacht mich an, Wie nur ein Mädel lachen kann, Spitzbübisch, schelmisch und doch ganz lieb. Es ist ein allerliebster Dieb, Und da — ich will recht finster blicken Und kann nur lachen und freundlich nicken. In Zukunft sind die Syringen frei, Ob Mädel, ob Buben, ist einerlei. Was ihr im Sprung erhaschen könnt, Ihr Diebsgelichter, sei euch gegönnt. Nur braucht ihr das selber nicht grade zu wissen, Mein Bäumchen würde mir arg zerrissen. 44 UNSCHULD Knarrt die Tür und durch halben Spalt Schiebt sich die zierlichste Gestalt, Trägt eine Tulpe in der Hand: Sieh mal, Papa, was Ursel fand. Wirklich? Was du nicht sagst. Ei seht! Die schönste Tulpe vom ganzen Beet. Gefunden hast du den Feuerhelm? Ich fürchte, du flunkerst, kleiner Schelm. Sie kichert und guckt in den Kelch hineki, Freut sich, und ich soll böse sein? Gelbt sich am Griffel das Naschen und macht Hatschi, hatschi, ganz fein und sacht. Hellstes Glück, kindliche Lust, Die keines Bösen sich bewußt, Lautere Unschuld, die nicht wägt, Ob ihr Tun auch Tränen trägt. Dienert nicht lange: Mit Verlaub? Nimmt sich von allem ihren Raub, Liebt, was leuchtet, schmaust, was schmeckt. Für wen ist denn der Tisch gedeckt? Ist mirs auch um die Tulpe leid, Fühl keinen Zorn, nur leisen Neid: Viel schönere Blumen weiß ich stehn, Und muß daran vorüber gehn. EIN FRÜHLINGSLIED Ein Vöglein fliegt im Winde Mit seinen bunten Flügeln Und kann sich gar nicht zügeln. Wie fliegt es so geschwinde, Das kleine Vöglein Hoffen; Die Welt steht ihm ja offen. 45 Ein Mägdlein geht im Garten, Jungfräulich schon zu nennen. Die ersten Tulpen brennen, Die ersten Veilchen warten. Es lugt nach einem Kränzlein Und sehnt nach einem Tänzlein. Und wo willst du denn tanzen gehn, Du junge Freude, du? Soweit die weichen Winde wehn, Soweit in hohem Bogen Das Hoffen ist geflogen, Das liebe schnelle Vögelein, So weit — willst du mein Tänzer sein? - Trägt mich mein goldner Schuh. LÜTT URSEL Lütt Ursel, Lütt Snursel, Wat snökerst du rum? Di steit din lütt Näs wull Na Appel un Plumm. Lütt Ursel, Lütt Snursel, Din Näs is mann Spann, Doch is datn Näs all För Pött un för Pann. Lütt Ursel, Lütt Snursel, Dar hestn Rosin, Dar sünd dre lütt Steen in, Un all dre sünd din. 46 DE SNURKERS De Klock sleit acht, Nu Kinners, go Nacht. Man gau un man fixen Herut ut de Büxen, Man flink ut de Schoh Un rinne int Stroh. De Klock sleit negen, De Oellsten, de sägen, De Lütt, mit sin Snuten, Kann ok all wat tuten. Dat isn Konzert, Ib wirkli wat wert. De Klock sleit tein, Nu, Olsch, ward dat fein, Nu legg di man slapen, Du hast dat schön drapen, Nu klingt dat erst recht, Ik snurk asn Knecht. LÜTT GRETEN Hans Adeboor hett uns lütt Greten funn Ganz achter de Welt inn deepen, deepen Brunn Un hett se sik uphalst, se rid as to Peer, Tweedusend Milen aewert deepe, deepe Meer. Un weer se darinfulln, keen hal er wedder rut. Nu liggt se in de Weeg mit er lüttje lustige Snut. DÖNTJE So is de Sak togahn: Dree Adeboors hebbt upt Nest stahn. De een keek darin Un de anner keek darin 47 Un de dritte keek mit und dacht in sin Sinn, Wat kiekt wi all dree in dat Nest herin? Awer so ist dat in de Welt ümmer wen, Wo een wat süht, will ok de anner wat sehn. LÜTT AANTEKEN Lütt Aanteken, lütt Aanteken, Weerst gistern noch int Ei, Un peddst mi hüt min Blömeken All mit din Föt entwei. Lütt Aanteken, lütt Aanteken, De Blömeken hört mi, Un dar de lütte Regenpütt, De Regenpütt hört di. AUSFAHRT Schlitten vorm Haus, Steig ein, kleine Maus, Zwei Kätzchen davor, So gehts durchs Tor, Zwei Kätzchen dahinter, So gehts durch den Winter. Hinein ins Feld, Wie weiß ist die Welt. Auf einmal, o weh, Kleine Maus liegt im Schnee, Kleine Maus liegt im Graben, Wer will sie haben? Schlitten vorm Haus, Wo blieb kleine Maus? Die Kätzchen, miau, Die wissens genau: Hat nicht still gesessen, Da haben wir sie gefressen. 48 KINDERREIM Rische rasche rusche, Der Hase sitzt im Busche. Wolln wir mal das Leben wagen? Wolln wir mal den Hasen jagen? Rusche rasche rische, Der Hase sitzt bei Tische. Siehst du dort im grünen Kohl ihn? Flink, nun lauf mal hin und hol ihn! Rische rusche rasche, Hast ihn in der Tasche r Was? Er ist ins Feld gegangen? Ätsch! Kann nicht mal Hasen fangen! DIE SORGLICHEN Im Frühling, als der Märzwind ging, Als jeder Zweig voll Knospen hing, Da fragten sie mit Zagen: Was wird der Sommer sagen? Und als das Korn in Fülle stand, In lauter Sonne briet das Land, Da seufzten sie und schwiegen: Bald wird der Herbstwind fliegen. Der Herbstwind blies die Bäume an Und ließ auch nicht ein Blatt daran. Sie sahn sich an: Dahinter Kommt nun der böse Winter. Das war nicht eben falsch gedacht, Der Winter kam auch über Nacht. Die armen, armen Leute, Was sorgen sie nur heute? kf, Grdichte-Answahl 4Q Sie sitzen hinterm Ofen still Und warten, obs nicht tauen will, Und bangen sich und sorgen Um morgen. DER FRÜHLINGSREITER Um Mitternacht Bin ich jäh erwacht. Huf schlag hallte, ein Hörn erklang, Daß ich erschreckt ans Fenster sprang. Der Mond schien hell, Und da kam es zur Stell: Ein Schatten voraus, dann ein milchweiß Roß, Darüber des Mondes Silber floß, Und ein Reiter ganz jung, einen blauen Kranz Im Gelock. Hell blitzte des Hornes Glanz In der Faust, und er stieß in das Hörn hinein, Als sollte und müßte geblasen sein. O war das ein Klang In dem Horngesangl Eine süße Kraft, eine blühende Kraft, Eine zitternde, quellende Leidenschaft, Ein Herz und ein Jubel, ein seliger Schrei! Ein Klingen, ein Leuchten — da war es vorbei. Hatte mich ein Traum betört? Nicht einer hatte den Reiter gehört, Sie lachten mich alle am Morgen aus: Da kommt der Träumer, der Dichter heraus. Aber mein Töchterchen kam mit Hurra: Seht mal, die ersten Veilchen sind da! Und ich glaube, auch Krokus und Narzissen Kommen schon. — Was wollt ich noch wissen? Ich lächelte nur und sagte: Ja, ja, Ich weiß, die Veilchen sind wieder da. 50 BEGEGNUNG Ich ging im Feld. Die Drossel schlug. Ein lindes weiches Wehen trug Von einem wilden Apfelbaum Ein Blütenblatt, einen Frühlingsflaum. Da kam aus Osten, hügelab, Trug keinen Hut und keinen Stab Und führte keinen Ranzen mit, Der Tag im leichten Wanderschritt. Auf seine helle Stirne fiel Ein frei Gelock, des Windes Spiel. Kein Kleid umgab der Glieder Pracht, Nackt schritt er, wie ihn Gott erdacht. Nur eine Sonnenblume hielt Er in der Linken. Hochgestielt, Der goldne Sternkelch scheitelnah Ihm schwankend über die Schulter sah. So ging er strahlend gradeaus, Und über ihm zog mit Gebraus Ein Schwärm von weißen Schwänen mit. Er wuchs, wie er das Feld durchschritt, Und stand zuletzt am Horizont, Ein Riese, flammend übersonnt. Um ihn, wie lichte Wölkchen sahn Die Vögel aus, Schwan neben Schwan. Und aus dem weißen Glitzermeer Grüßte die gelbe Blume her. EIN GANG DURCHS FISCHERDÖRFCHEN Wenige Hütten, gedeckt Mit überragenden Schindeln. Manche versteckt, Wies Kind in den Windeln, Hinter Apfelbaumgezweig Und gegen den Steig Von hohen Dornen eingeheckt. 5« Vorm Haus, Kraus Zwischen Kraut und Nesseln, Nelken und Georginen; Hinter den Fenstern und Gardinen Geranien, Goldlack und wieder Nelken, In Scherbenfesseln Bestimmt zu welken. Fischergerät, Netze und Schnüre Vor jeder Türe; Hin und wieder ein frommer Spruch, Und überall Fischgeruch. Im Sonnenbrande Spielende Kinder im Sande, Schmutzig und putzig, Halb scheu und stutzig, Halb dreist, Und barfuß zumeist. Auf niederm Sitz Der Schwelle hingeduckt Ein altes Mütterchen hockt. Kartoffel schälend guckt Sie her und lockt Mit zitterndem Stimmchen aus zahnlosem Mund Den klaffenden Hund: Komm Spitz 1 Eine Gänseherde schnattert vorbei. Ein Mädchen vollbusig und drall Bringt eine Ziege zu Stall Oder auf die Wiese. „Was macht der Schatz, Liese?" Wie verschämt sie tut. Ei, Und sich umsieht und lacht. Nimm dich in acht! 52 Vorm Wirtshaus Entengeschwatz Auf dem grasbewachsenen Platz Und daneben Auf dem übelriechenden Teich. Soeben Krähen zwei Hähne zugleich, Und die Störchin vom Scheundach herab Klappert : klappklappklapp I — Klapp! Schwalben schießen wie Pfeile Kreuz und quer über den Weg, Haben immer Eile, Sind immer reg, Zierlich und schlank, Blitz und blank. Aus dem Schulhaus, Neu aus roten Ziegeln erbaut, Schalks hell heraus: „Weißt du, wie viel Sternlein stehn — " Der alte Lehrer singt für zehn Und fiedelt dazu. Hartnäckig dazwischen brüllt eine Kuh Von naher WTiese, immer gleich kläglich. Es ist unerträglich. Weiter, beim Kirchhof zum Dorf hinaus, Das letzte Haus sieht wie das erste aus: Klein, dürftig und schmutzig. Auf niedrigem Kirchdach kauert, Wie versauert, Als ob er die Lust an der Welt verlor, Der Turm, gar putzig, Mit runder Haube, Und lugt aus dem Laube Breitästiger Linden grämlich hervor. Über die Friedhofsmauer hängt, Die Wurzel zwischen die Quader gezwängt, 53 Schwarzgrüner Efeu, und höher, im Hauch Des Windes, wiegt sich am Strauch Ganz leise, leise Eine dunkelrote Rose. DIE MORGENPREDIGT Die Felder lagen still und schwer, Der Sommer brachte Segen. Wir gingen kreuz und gingen quer Und kamen von den Wegen. Es stand ein roter Mohn im Korn Und eine weiße Winde, Es hing ein kleines Nest im Dorn Aus Halmen und aus Rinde. Ein Sonntag wars, das Dorf versteckt In Andacht und in Frieden, Und wir, von Wall und Busch umheckt, Von allen abgeschieden. Dort fiel nun wohl vom Kanzelbord In die erbaute Menge Gar manches gute Liebeswort Und manches Wort der Strenge. Hier ward uns eine Predigt rings Aus Sonne und aus Stille, Das Leuchten eines Schmetterlings, Das Zirpen einer Grille. Und hier und da ein Liebeswort So abseits von den Wegen. Die Ähren wogten leise fort, Der Sommer brachte Segen. 54 DE LÜTT BOOM Ik bin de lütt Boom, De an de Landstrat steit, Plückt allens an mi rüm, .Wat weglangs geit. Een plückt sikn Blatt, De anner en Blöt, De smitt se denn weg, Und de pedd denn de Föt. Doch hett in min Aest Sikn Vagel inwahnt, Un küßt mi de Sünn, Un strakt mi de Mand. Denn hev ik min Freud Und tröst mi ok meist: Wat helpt, lütt Boom, Du steist, wo du steist. DER RECHTE ORT Es ist ein stiller Pfad Entlang an Klee und Korn, Wo Furchen grub das schwere Rad; Geißblatt wuchert am Rand, und Dorn. Rings Farben, juliwarm, Und reifer Roggenduft I Ein tanzender Mückenschwarm Und Schwalben in zitternder Luft. Und um die glühe Mittagszeit Ein Bett im Heckenkraut, Und weit Kein Menschenlaut. 55 KÖNIG SOMMER Nun fallen leise die Blüten ab, Und die jungen Früchte schwellen. Lächelnd steigt der Frühling ins Grab Und tritt dem Sommer die Herrschaft ab, Dem starken, braunen Gesellen. König Sommer bereist sein Land Bis an die fernsten Grenzen, Die Ähren küssen ihm das Gewand, Er segnet sie alle mit reicher Hand, Wie stolz sie nun stehen und glänzen. Es ist eine Pracht unterm neuen Herrn, Ein sattes Genügen, Genießen, Und jedes fühlt sich im innersten Kern So reich und tüchtig. Der Tod ist so fern, Und des Lebens Quellen fließen. König Sommer auf rotem Roß Hält auf der Mittagsheide, Müdigkeit ihn überfloß, Er träumt von einem weißen Schloß Und einem König in weißem Kleide. DER TRAUERMANTEL Einsamer Mohn glühte am Grabenrand, Ein Falter zog um ihn zitternde Ringe. Ein Trauermantel. Sonnig lag das Land, Der einzige Schatten war die schwarze Schwinge Des dunklen Gauklers dort, der um die Glut Des roten Mohns, ein traumhaft Wesen, flog. Und mählich schien es mir, als ob das Blut Der Blume aus den Wangen wich; sie zog Erblassend, welkend, sich in sich zusammen, Doch immer noch um die erloschnen Flammen 56 Zuckten die schwarzen Flügel, bis ein Wind, Der übern Weg lief, sie ins Feld entführte. War ich vom Licht, vom Flügelflimmern blind ? War es ein Schlaf, ein Traum, der mich berührte, Erzeugt in jenem Purpurkelch, der jetzt Wie vorher flammte, sommerheißer Glut? Ein Nichts. Ein Spuk. Blendwerk. Und doch, zuletzt, Es blieb ein leises Frösteln mir im Blut, Und als ich abends mit den Freunden trank, Die heiterm Tag ein heitres Ende machten, Sprach ich von Herbst und Tod; sie aber lachten Und stießen fröhlich an. Ein Glas zersprang. EINSAME KATE Der Nebel braut über nacktem Land, Man sieht die schwarzen Schollen kaum. Wie eine dicke graue Wand Ragt der Wald überm Ackersaum. Hinter kahlen Hecken versteckt, Kauert eine Kate, niedrig und schief, Als ob sie, vom Nebel zugedeckt, Den ganzen Winter so verschlief. Zwei Weiden sträuben ihr spärlich Geäst Vor der Tür, ein morsches Stumpfenpaar. Eine alte Krähe hockt hier fest, Als hockte sie hier das ganze Jahr. Sie rührt sich nicht, den Balg gebläht, Den grauen Kopf tief eingeduckt. Nur ihr schläfriges Blinzeln verrät, Daß sie der Tod noch nicht verschluckt! Einmal wippt sie ein wenig vor, Hockt aber gleich wieder hin. Es war Ja nur das alte Katentor, Das knarrte und quarrte. Keine Gefahr. 57 Ein altes Mütterchen hinkt aus dem Haus, Blinzt blöde in die Nebelwelt Und streicht sich das Haar aus der Stirn heraus, Gelbgraue Strähne. Das fällt, wies fällt. Ein winziges Beet, schwarz und feucht, Liegt vor der Tür. Sie scharrt dabei Herum und purrt um ein weißes Geleucht, Erste Schneeglöckchen, zwei, drei. Sie schnauzt sich, fährt mit der flachen Hand Über das welke Runzelgesicht, Hustet und spuckt in den nassen Sand. Der Nebel ist gar zu schwer und dicht. Hüstelnd hinkt sie ins Haus. Das Tor Kreischt kläglich, wie kleine Kinder schrein. Die Krähe wippt ein wenig vor, Schlägt mit den Flügeln und duckt wieder ein. Kein Laut. Die alte Kate liegt Wie tot, es piept nicht eine Maus. Jetzt ein Krächzen. Schwerfällig fliegt Die Krähe in den Nebel hinaus. DAS MOHNFELD Es war einmal, ich weiß nicht wann Und weiß nicht wo. Vielleicht ein Traum. Ich trat aus einem schwarzen Tann An einen stillen Wiesensaum. Und auf der stillen Wiese stand Rings Mohn bei Mohn und unbewegt, Und war bis an den fernsten Rand Der rote Teppich hingelegt. 58 Und auf dem roten Teppich lag, Von tausend Blumen angeblickt, Ein schöner, müder Sommertag, Im ersten Schlummer eingenickt. Ein Hase kam im Sprung. Erschreckt Hat er sich tief ins Kraut geduckt, Bis an die Löffel zugedeckt, Nur einer hat herausgeguckt. Kein Hauch. Kein Laut. Ein Vogelflug Bewegte kaum die Abendluft. Ich sah kaum, wie der Flügel schlug, Ein schwarzer Strich im Dämmerduft. Es war einmal, ich weiß nicht wo. Ein Traum vielleicht. Lang ist es her. Ich seh nur noch, und immer so, Das stille, rote Blumenmeer. DAS BIRKENBÄUMCHEN Ich weiß den Tag, es war wie heute, Ein erster Maitag, weich und mild, Und die erwachten Augen freute Das übersonnte Morgenbild. Der frohe Blick lief hin und wieder, Wie sammelt er die Schätze bloß? So pflückt ein Kind im auf und nieder Sich seine Blumen in den Schoß. Da sah ich dicht am Wegesaume Ein Birkenbäumchen einsam stehn, Rührend im ersten Frühlingsflaume, Könnt nicht daran vorübergehn. 59 In seinem Schatten stand ich lange, Hielt seinen schlanken Stamm umfaßt Und legte leise meine Wange An seinen kühlen Silberbast. Ein Wind flog her, ganz sacht, und wühlte Im zarten Laub wie Schmeichelhand. Ein Zittern lief herab, als fühlte Das Bäumchen, daß es Liebe fand. Und war vorher die Sehnsucht rege, Hier war sie still, in sich erfüllt; Es war, als hätte hier am Wege Sich eine Seele mir enthüllt. DER SCHLAFENDE WIND Über die verhüllten Abendhügel Steigen schon die ersten Sterne her, Einmal rührt der Wind noch seine Flügel, Alles schweigt und träumt, nun träumt auch er. Auf den Rosen ist er eingeschlafen, Träumt von einem schönen Wandertag. Ach, wie lieblich sichs in solchem Hafen Nach der langen Reise schlafen mag. In der Frühe, welche süßen Düfte Haften noch an seinem Schwingenpaar. Neiderfüllt erzittern alle Lüfte, Hören sie, wo er zur Nacht heut war. Und die Mädchen, die vor Tür und Toren Halb verschlafen in die Sonne sehn, Strecken sich und fragen traumverloren: Wo doch nur die vielen Rosen stehn? 60 IN DER NACHT Unruhig steht die Sehnsucht auf, Ihr ist so schwül, sie atmet tief, Und hundert Wünsche stehen auf, Die sie am müden Tag verschlief. Sie rührt der Mutter an den Saum, Der Mutter Nacht, die achtets kaum, Und denkt, es war der Wind, der strich. Die Wimper hebt sie wie aus tiefem Traum Und lächelt irr und wunderlich. VERSCHWIEGEN Eine liebliche Stunde Stand vor mir, den Finger am Munde. Große, klare Augen sagten Von Gedanken, die nicht hervor sich wagten. Rede nur, winkt ich, aber mit feinen Mienen wußte sie zu verneinen. Stand nur immer und sah mich an, Eigen an, Mit dem Finger am Munde — Eine liebliche, märchenschöne Stunde. NACH JAHREN Die ruhenden, stillen Felder, Darüber der Vollmond steht, Die weiten, schweigenden Wälder, Daher ein Schauer weht. • Wie hab ich selig genossen Die schöne Nachteinsamkeit Und habe den Schatz verschlossen Für kommende, dürstende Zeit. 6l Nun träum ich die alten Träume Und rühre leise den Schatz, Sacht rauschen die alten Bäume, Und alles am alten Platz. Mir ist, als könnt ich gehen Nur grad ins Feld hinein, Mit geschlossenen Augen sehen Den klaren Vollmondschein. Und leise Schauer wehen Kühl mich wieder an, Und die alten Sterne stehen Über dem träumenden Mann. IDYLL Maria, unterm Lindenbaum, Lullt ihren Sohn in Schlaf und Traum. Herr Joseph auch, der wackre Greis, Ist eingenickt und schnarcht ganz leis. Vier Englein aber hocken dicht Auf einem Ast und schlafen nicht. Sie schlafen nicht und singen sacht, Kein' Nachtigall es besser macht! Groß überm Wald her, Himmelsruh, Hebt sich der Mond und guckt herzu. Maria reißt die Augen auf, Ihr fiel ein Schlummerkörnlein drauf. Und ist erst in der halben Nacht, Daß sie bei ihrem Kind gewacht. Sie sieht in all den Silberschein Mit großen Augen still hinein. 62 Hört kaum das Lied von obenher, Ihr Herz ist bang, ihr Herz ist schwer. Ein Tränlein fällt ihr auf die Hand Und blitzt im Mond wie ein Demant. GESANG DER MUSCHELN Hier auf deinem Fensterbrette Durcheinander hingetan, Träumen wir vom Wiegenbette, Träumen wir vom Ozean. Unter Algen, unter Moosen, Tief im Wald von Silbertang, Lebten einen sehnsuchtslosen Tag wir, tausend Jahre lang. Oben die kristallne Wandung, Die uns von dem Himmel trennt, Und im Ohr den Ruf der Brandung, Die den Klippenwall berennt. Dunkle Purpurrosen blühten Aus der Finsternis umher, Tausend Augen blitzten, glühten Gleich Demanten rings im Meer. Und nun liegen wir und glänzen Hier auf deinem Fensterbrett, Deine grellen Blumen kränzen Unser hartes Totenbett. Und in deinen Händen fühlen Wir dein heißes Blut mit Scham. Ach, als noch in ihre kühlen Finger uns die Nixe nahml 63 Ihre Silberflossen glitten Leise unsern Leib entlang, Und wir zitterten und litten, Lauschten ihrem Ferngesang. Tauche du nur einmal nieder, Wo das Dunkel purpurn scheint, Schenktest uns der Welle wieder, Die um ihre Kinder weint. REGEN Vor meinem Fenster schwanken Die schwarzen Koniferen Im Regen und die schweren Nassen Efeuranken. Schatten allerwegen Und Schleier. Nirgend ein Schimmer Tröstender Sonne, nur immer Wind und immer der Regen. Die Tulpen, zarte Gestalten, Neigen die schlanken Stiele, Sie können im Kelch so viele Tränen nicht mehr halten. Sie sinken erschöpft an den feuchten Wegen hin und weinen; Diese stolzen, feinen, Wo ist nun ihr Leuchten? Sie wollten so herrlich stehen, Sich und den Garten zieren, Und müssen nun liegen und frieren Und früh vergehen. 64 UNHEIMLICHE STUNDE Da sitzt die Nacht am WegesaüVn, Und neben ihr stehn Tod und Traum. Das ist ein Geraune, ein Heimlichtun. Ein Wind springt hinterm Wald hervor, Erhascht ein Wort mit halbem Ohr, Und ängstet feldein auf erschrocknen Schuh n. Im Sumpfrohr hockt eine graue Gestalt, Hundert graue Jahre alt, Eine Frau, eine Hex, eine böse Seel. Sie hat einen Kessel am Feuer und braut, Ein Kind, eine Kröte, ein Schattenkraut, Gestank und Geschwel. Ein grüner Stern steht grad überm Haus, Sieht wie ein böses Auge aus, Und da hinten der Himmel brennt so rot. Und horch, was war das? Die Uhr blieb stehn. Wollen wir nicht lieber beten gehn? Wir haben alle das Beten not. WAS WAR ES? Um Mitternacht, der Regen fiel Und schlug ans Fenster, tropf und tropf, Und ohne Schlaf und schwer und schwül Lag ich auf meinem heißen Pfühl Und reckte mich Und streckte mich Und wälzte Welten um im Kopf. Um Mitternacht, da kam es her. Kling, sprang der Schlüssel, kling das Schloß. Und übern Gang, durchs Zimmer nun, Jetzt durch den Saal, auf plumpen Schuhn, Da klappte es Und tappte es, Daß kalt mirs übern Rücken floß. Falke, Gedichte-Auswahl 65 Um Mitternacht, da trat es ein, Und ging ein* Wehen vor ihm her, Und näher kam es, nah, ganz nah, Und schweißgebadet lag ich da Und zitterte Und witterte, Daß nun mein letztes Stündlein war. Um Mitternacht, da fiel ein Wort, Das klang so bang, das klang so tot. Und war kein Licht, ein Dunkel nur, Und schlug im Saal die alte Uhr, Schlug ruck und ruck Und zuck und zuck Und schnurrte ab. Schwer fiel das Lot. Um Mitternacht, und wie es kam, Jetzt Zimmer, Saal, jetzt Korridor, So ging es wieder. Schritt vor Schritt. Und in Gedanken ging ich mit, Klapp klapp, tapp tapp, Die Trepp hinab, Und unten knarrte leis das Tor. DER RITTMEISTER Eine Schwadron am Waldessaum, Schwarze Husaren. Stehn wie der Baum, Die Linke am Sattelknopf. Vergoldet vom letzten Tagesstrahl Pferdehals, blitzender Reiterstahl, Kolpak und Totenkopf. Dreißig Schritte vor der Front Der Rittmeister grell übersonnt, Den Säbel mähnenquer. Tief in die bleiche Stirn gerückt Die Pelzmütze, späht er vorgebückt, Mit Geierblick umher. 66 Links auf leichtem Schimmel dicht Sein Trompeter, ein flachsblond Milchgesicht. Der sieht mit leisem Graun Ihn reglos halten auf dem Fleck, Wie festgewurzelt Mann und Scheck, Ein Bild aus Stein gehaun. Säbelwink 1 Signal! Tra — a — abl Trabi Nun jagt der Viktoria die Kränze ab, Und wenn sie die Hölle verschanzt. Mit hartem Huf stampft Feld und Frucht Schnellfüßige Siegeseifersucht, Daß Kraut und Scholle tanzt. Hurra! in den Feind! Dragoner sinds. Drauf! Walkt sie, Jungen! Haut sie zu Häuf! Klinge an Klinge blitzt. Der Rittmeister mitten im dichtesten Knaul. Rechts herab, links herab, hoch vom Gaul. Und jeder Hieb, der sitzt. Das ist ein Zerren, Stich und Stoß, Ein Sinken, Stürzen sattellos. Brüllend prallt Wut in Wut. Und wie verzogen sind Staub und Schwall, Geglättet ruhn die Wogen all, Im Sand verrinnt die Flut. Zerrissen Roß und Reiter, weh! Gefallen wie Halme im Sommer jäh, Vorm Siegessichelschlag. Am Boden bügellos Held an Held, Reiterlos rasen die Pferde durchs Feld, Blutrot stirbt der Tag. Nur einer entkam. Ihn trug sein Scheck Mit hastendem Huf aus Schlacht und Schreck. Der Strauß war fast zu heiß! Er schlägt von der Attila Staub sich und Sand Und wischt sich mit der flachen Hand Aus Augen und Stirn den Schweiß. 67 Ein hämisch Grinsen kriecht hervor, Zieht ihm den Mund von Ohr zu Ohr Heut wars nach meinem Sinn. Dann wendet seinen Gaul im Schritt Und brütet neuen Grausenritt Der Tod still vor sich hin. DIE ZIERLICHE GEIGE Ein klapperdürrer Fiedelmann Stand unter einem Baume _ Und setzte seine Geige an Und geigte wie im Traume Und sang ein leises Zwitscherlied, Das rührte an die Äste, Und als der letzte Ton verschied, Da starb ein Spatz im Neste. Der klapperdürre Fiedelmann Stand unter trocknem Kranze Und setzte seine Geige an Und geigte flott zum Tanze Und geigte flott zum Erntebier, Wo Rock und Schürze fliegen, Ein letzter Triller, zart und zier, Da muß die Großmagd liegen. Und wieder stand der Fiedelmann Stocksteif vorm Pastorate Und setzte seine Geige an Zur geistlichen Sonate. Ein rührend Religioso sang Von allen Himmelsschauern, Ein schluchzender Morendogang — Wer predigt nun den Bauern? 68 Dann stand der fleißige Fiedelmann Wohl auf der Herrendiele Und setzte seine Geige an Zu raschem, scharfem Spiele. Das klang halb wie ein Trinklied froh, Halb wie ein Sturm auf Schanzen, Ein kurzes, keckes Tremolo, Da muß der Schloßherr tanzen. Und neulich stand der Fiedelmann Auch vor des Schulzen Kammer Und setzte seine Geige an Und sang wie eine Ammer Und sang und sang den ganzen Tag Und sang vor tauben Ohren, An dem, der da im Fieber lag, Schien jede Kunst verloren. Da trat er dicht ans Bettgestell, Hub wütend an zu kratzen, Doch statt des Kranken Trommelfell Mußt ihm die Quinte platzen. Erbost schlug er sein Saitenspiel Aufs Haupt dem zähen Recken, Die Geige in zwei Stücke fiel, Der Schulze starb vor Schrecken. Der klapperdürre Fiedelmann, Da hockt er nun am Rande Und leimt sein Zeug, so gut er kann, Flickt Saiten, Steg und Bande Und brummt, das hat man nun davon, Dem spielt ich zu manierlich, Jetzt lern ich Baß und Bombardon, Die Geige ist zu zierlich. 69 GESTORBEN Der Himmel senkte seine grauen Fahnen Tief auf des Parks umflorte Sommerwipfel, Und durch die stillen Schattengänge schwebten Der Schwermut dunkle Falter leisen Fluges. Die holjen Ulmen weinten und die Birken, Die ernsten Koniferen und die Rosen, Und durch den feuchten Schleier sah das Haus Mit seinen dichtverhängten Fenstern, wie Ein müdes, bleiches Menschenangesicht, Dem Gram die heißen kranken Lider schloß. Des Gartens offnes Gitter lockte mich, Und ich trat ein. Die dunklen Ulmen leerten Wie fassungslos des Kummers Schalen aus, Und auf den Beeten weinten alle Blumen, Und von dem Rasen neigten sich die Gräser Auf meinen Fuß und netzten ihn mit Tränen. Die erzgegossene Sphinx nur an der Treppe Sah kalt und unbewegt in diesen Jammer, Mit großen, leeren Augen, daß mir grauste. Und doch war über ihren schwarzen Leib Ein ganzer Zweig voll schwerer gelber Rosen, Wie aufgelöst in lauter Leid, gesunken Und schüttete der Schmerzen heiligen Tau Aus seinen goldenen Kelchen auf sie nieder. Und aus der Villa trat ein dürres Männchen, Ein alter Herr mit einer Aktenmappe, Mit Brille, Regenschirm und Florzylinder. Er sah mich fragend an: Was suchst du hier? Und zögernd kam es von den schmalen Lippen: Sie wissen doch? Die Poesie ist tot. Wie Dolchstich traf das Wort, und ich erschrak. Und wie ein Schluchzen ging es durch die Bäume, Stieg aus den Wurzeln bis in alle Kronen. Die Birken weinten und die hohen Ulmen, 70 Die Koniferen und die dunklen Rosen, Und wie ein Schüttelfrost durchlief es jäh Den gramgebeugten gelben Rosenstrauch, Der um den Hals der strengen, starren Sphinx Die schlanken Arme warf: Fühlst du denn nichts? Fühlst du denn nichts? Die Poesie ist tot. DIE DANAIDE Wenn der Tag verdämmert, steigen Sterne, Morgenrot führt neuen Tag herein, Endlos rauscht es aus der dunklen Ferne, Ach, wann wird die letzte Welle sein? Sind denn unerschöpflich jene Schalen? Immer steigt und fließt die volle Flut, Und es ist ein Meer von tiefen Qualen, Und es ist ein tiefes Meer von Blut. Schöpfen muß ich, bis der letzte Tropfen Zitternd hier an meinem Siebe hängt. Könnten Klagen diese Quellen stopfen, Wäre längst der Strom zurückgedrängt. Schöpfe, schöpfe, müde Danaide, Schweige, dulde, denn die Fluten schwellt Nur dein Jammer, der vom heißen Lide Tränenschwer in deine Schale fällt. DIE REGENINSEL Aus eines fernen Ozeans grauen Wassern, Die nie ein Sturm aus ihrer Ruhe rüttelt, Ragt unter schwerem, ewig trübem Himmel In flachem Anstieg eine stille Insel. So lang des Meeres schläfrig träge Wellen Mit schmutzig gelbem Schaum den Strand umkränzen, Seit tausenden von Jahren, rieselt endlös 71 Derselbe sanfte Regen aus den Wolken Und näßt den Boden, dessen üppige Wildnis Die Feuchte trinkt mit immer durstigem Mund. Und ewig plauscht und plantscht und putscht und platscht es. Eintönig, rhythmenlos, tropfts von den Zweigen, Gluckst seufzend von den Ranken, fällt von Halmen Wie Tränen ab und klatscht in tausend Tümpel, Lehmfarbige Lachen, und verspritzt, zerstäubt. Baumriesen, deren nasse, blanke Äste Schlammfransen schmücken, als ob gestern erst Die Insel aus den Fluten sich erhoben, Beschatten mächtige Farrenwedelwälder Und dicke, fleischige, tellerförmige Blätter Von Sumpfgewächsen rings und hochgestielte Farblose Blumen, die in schwammigen Kelchen Den Regen fangen, der in feinen Bächen Der schwanken Becken Ränder überrinnt, Und ewig plauscht und plantscht und putscht und platscht es. Fremdartige Vögel horsten auf den Bäumen Mit fettigem, ölglänzendem Gefieder Und schwarzem, abgestumpftem Entenschnabel. Aus lehmiger Erde bauen sie die Nester Den schlick- und schlammumhüllten Waldkolossen In ihre breiten Arme. Klagend klingen, Gebrochen, schrill, die wunderlichen Rufe Der großen grauen Tiere, die mit leisem, Fast regungslosem Flug die weite Öde Der See bestreichen und nach Fischen fahnden. Seltsame, stumme Stelzenvögel jagen Im Sumpf nach feisten, plumpen Riesenfröschen, Und fabelhafte Wesen, halb der Otter, Halb einem Eichhorn gleich, mit Flatterflügeln Wie eine Fledermaus, nur größer, führen Ein wunderliches, drolliges Doppelleben, Halb Vogel und halb Fisch, in all dem Naß. Und ewig plauscht und plantscht und putscht und platscht es 72 Doch märchenhafter noch als diese Tiere Sind hier die Menschen. Klein, breitmäulig, schielend, Mit Karpfenaugen unter wulstigen Lidern, Und fischgeschwänzt, Schwimmhäute an den Händen, So liegen sie, aus ihren Bieberhütten Hervorgekrochen, paarweis und in Rudeln, Gleich Robben rings am Strande auf den Bäuchen, Siesta haltend in den Mittagstunden Und schläfrig grinsend, wenn mit lautem Klatschen Ein Fisch sich aus den kaum bewegten Fluten Des müden Meeres in den Regen schnellt. Und ewig plauscht und plantscht und putscht und platscht es Aus grauem Himmel auf die tranigen Leiber Der Robbenmenschen, rollt in runden Perlen, In kleinen Kügelchen herab und löst sich In Tropfen, zitternd, zögernd, von den breiten, Ein wenig aufgestülpten Nasen ab. Ein tiefes Schnarchen knurrt am Ufer hin. Und manchmal lacht ein leises, fettes Kichern Wie hinter vorgehaltenen Händen auf, Wenn hinterrücks so ein geschwänzter Schäker Mit langem, spitzem Schilf ein Mädchen kitzelt, Das nur so tut, der Schelm, als ob es schläft. DER BETER Der wache Wald begrüßt den stillen Strand Mit erstem Vogelruf. Die Morgenwelle Wäscht blanke Kiesel, spielt mit weißen Muscheln. Kein Laut ringsum, der den Gebeugten stört, Den Hingebeugten, der den braunen Nacken Anbetend neigt, bis in den Sand die Stirn. Und strahlend kommt der Tag her übers Wasser, Die Wellen hüpfen unter seinem Schritt Und leuchten. Sanft erglühn die strengen Wipfel Des schwarzen Haines und erschauern leis. 73 Ein heller Schrei. Vom höchsten Eichenast Löst sich ein Kranich, schweren, breiten Fluges, Und steuert meerwärts! Seine Schwingen leuchten, Die Wellen leuchten, die bewegten Wipfel, Der braune Leib. Und Schweigen rings, kein Laut. Nur Licht und Glanz, nur Licht und Glanz. t)!E WELLE Wie die wolfgehetzten Schafe, ängsten Vor dem Nordsturm her die weißen Wellen* Oder wie ein Trupp von scheuen Hengsten, Die vorm Lasso durch die Steppe schnellen. Nein, ein Rudel kommt von bangen Weibern, Die, gedrängt um ihre Königin, Sie beschützend mit den nackten Leibern, Fliehen vor dem kühnen Wiking hin. Und in Mitten sie, die angstgejagte, Schamgequälte. In den eigenen Reichen, Wo der Räuber ihr zu trotzen wagte, Eine Flüchtige, sieht sie kein Entweichen. Näher des Verhaßten Siegestrompeten, Ach, wohin, vor der gewissen Schmach? Lachend wird er in den Staub sie treten, Und ihr Todbett wird ihm Brautgemach. Fort, nur fort! Mit starken Armen teilt sie Den betäubten Knaul der Dienerinnen. Unbehindert, freien Fußes, eilt sie Weit voraus, als war noch ein Entrinnen. Doch der Jäger läßt das Wild nicht fahren, Schon berührt sein heißer Atem sie, Und an den entflochtenen feuchten Haaren Zerrt er die Erschöpfte in die Knie. Schwanken. Stürzen. Zu des Starken Füßen Strecken kraftlos sich die schönen Glieder, Und er taumelt, seine Gier zu büßen, Auf die weichen Liebeskissen nieder. 74 Schrei der Scham. Ein purpurn Widerstreben. Herrenrecht und Sieg und Flammenbrust. Schande würgt ein königliches Leben, Und der Seufzer stirbt im Ach der Lust. DAS GEISTERSCHIFF Alle Schiffer kamen wieder, Kay kam nicht. Auf die Erde warf Meike sich nieder, In den Sand das Gesicht. Sie weinte und rang die weißen Arme: Kay, komm, Kay! Sie flehte und fluchte, daß Gatt erbarme Kay, komm, Kayl Da lief ein Schiff auf schwarzer Welle Nachts an den Strand, Da kam ihr toter Herzgeselle Und nahm sie bei der Hand. Sie fühlte es bis in die spitzen Zehen Und bis in ihr blondes Haar. Und Meike mußte mit ihm gehen Und segeln immerdar. DAS OPFERKIND Bei Heiligenstedten, der Stördeich wars, Der Deich wollte nicht halten. Ein Loch klaffte, man kriegt es nicht zu, Die Flut weiß zu spülen, zu spalten. So viel man auch stopft mit Erde und Stein, Das Meer stößt ein neues Loch hinein. 75 Da war Not. Wich der Deich, Das Land mußte ersaufen. Eine alte Frau wußte Rat, Man könnt es dem Teufel abkaufen: Freiwillig muß ein Kind da hinab, Das hilft, freiwillig hinein da ins Grab. Ein Kind! Einer Mutter Kind! Hält jede ihrs fester am Herzen. Und wenn die ganze Marsch ersäuft, Kann eine ihr Kind verschmerzen? Da war Not. Das Loch muß zu. He, Tatersch, hör mal, bettelst du? Hier, tausend Taler! Klimperts nicht gut? Der Zigeunerin funkeln die Augen. Tausend Taler? Nehmt den Balg! Kann doch nur zum Bettel taugen. So Schilling für Schilling erscharrt sichs schlecht. Gebt her! Wer ist gern Hungers Knecht. Sie legen ein Brett über das Loch Und ein weißes Brot in die Mitte. Der hungrige Knabe schwankt daher, Kleine, hastige Schritte. Jetzt langt er nach dem Brot. Weh! Das Brett Schlägt über und wirft ihn ins nasse Bett. Kein Schrei. Alles stiert Stumm aufs Quirlen und Quellen. Da taucht es auf, ein blaß Gesicht, Aus den lehmigen Wellen, Taucht auf und spricht ein Wörtchen bloß: „Ist nichts so weich als Mutters Schoß." Und taucht zum zweitenmal auf und spricht: „Ist nichts so süß, als Mutters Liebe." Wie das Wort alle packt und brennt. Wenn doch das Kind endlich unten bliebe! Doch kommt es zum dritten und spricht aufs neu: „Ist nichts so fest als Mutters Treu." 76 Dann sinkt es weg. — Sie atmen aut, Nun muß das Werk geraten I Die Gäule keuchen, die Karren knarrn, Es ächzen und knirschen die Spaten. Erde und Stein hinein ins Lochl Ein teurer Deich, aber jetzt hält er doch. THIES UND OSE In Wenningstedt bei Karten und Korn Erschlug einst ein Bauer in jähem Zorn Seinen Gast. Thies Thießen war stark, Und der Hansen ein Stänker um jeden Quark. Nun lag er bleich und im Blut auf dem Stroh. Aber wo war Thies Thießen? Wo? Sie suchten ihn und fanden ihn nicht, Und der Galgen machte ein langes Gesicht. Ose, des Mörders Weib, kam in Not. Vier Kinder wollten von ihr Brot. Ihr Kram ging zurück. Stück für Stück Ward verkauft, und sie suchte bei Fremden ihr Glück. Doch stand sie in Ehren bei jedermann Und tat ihnen leid. Die Zeit verrann, Und Thies Thießen war und blieb Weg, als wäre die Welt ein Sieb. So wurden es Jahre. Auf einmal fings Zu tuscheln an, bis nach Rantum gings: Habt ihr gesehn? Schon lange. Nanul Meint ihr? Und sie nickten sich zu. Sie war doch sonst ein ehrlich Weib, Nun schreit ihre Schande das Kind im Leib. Mit wem sies wohl hält? Das Mannsvolk ist toll! — Das war ein Geschwätz, alle Stuben voll. 77 Die fromme Ose ertrug es in Scham, Kein Wort über ihre Lippen kam. Nur einem fraß es am Herzen und fraß, Bis ihm der Schmerz in den Fäusten saß. Und eh sichs die Lästermäuler versahn, Stand er auf: Ich habs getan! Und standen alle und glotzten sehr: Thies Thießen? Gott sei bei uns! Woher? Nicht verrat ich das Dünenloch, Und ihr findet es nimmer. Sie aber fands doch. Und gehts um den Hals, das Kind ist mein. Und verdammt, wers nicht glaubt. Ich bläus ihm ein. Und er sah elend aus und schwach, Und er hielt sie wie ein Gespenst in Schach, Bis ihnen allen allmählich klar, Daß der da wirklich Thies Thießen war. — Der Hansen war tot, von keinem vermißt, Ein Säufer war er und schlechter Christ. Aber der Thießen, ein Kerl ist er doch! Und die Ose, gibts eine Bravere noch? Alle die Jahre in Elend und Not Teilte sie ihr Hungerbrot Treulich ihm mit. Und jetzt weinte sie da An seinem Hals. Es ging allen nah. Sie kauten und spuckten und sahen sich an Und schoben sich sacht an Thießen heran Und brummten und schüttelten ihm die Hand. Das war ihr Gericht. Und so blieb er im Land. ?S DIE FALTE Heute sah ich den Haß, Den herrlichen nackten Haß. So dacht ich mir Die trotzige Schönheit gefallener Engel Wildheit ganz Und knirschender Stolz. „Wie schön du bist", Betete ich an. „Millionen Preisen mich", lächelte er, „Mein ist das Reich." Und ich sah auf und sah Zwischen den Nachtbrauen Die Schmerzfalte, Senkrecht, Tief eingefurcht. „Warum diese Falte?" Abgewandt schwieg er. „Warum diese Falte?" Leise, Verquält klang es zurück: „Weil ich nicht lieben darf." DIE PEITSCHE EUCH! Mit Peitschen will ich euch schlagen, Mit flammenden Peitschen, Bis ihr aufschreit: Halt ein, Wir haben gefrevelt I 79 Wo sind die gemordeten Seelen, Die Opfer eurer schlangengiftigen Klugheit? Leicht, froh, sprang er ins Feld, Der Genius mit dem Kinderlachen, Seine Hand klatschte Lust, Und sein Mund tönte Freudengesänge. Wehel er kannte euch nicht, Die ihr in Erdlöchern haust, Stumpf, Himmelsbotenklängen taub Und maulwurfsweisheitgebläht. Tötet ihn, tötet ihn, Er lästert Gott! Und ihr schlugt ihn Und kreuzigtet ihn mit Hunger Und lachtet: Seht, welch ein NarrI Peitschen will ich euch, Bis ihr im Staube heult l Wo ist die Sonne, die aufging, Die ihr nicht begeifert, Weil sie eure glückliche Nacht störte, Eure schlaf warmen Höhlen Dem Tag preisgab. Wo die Sonne, Der ihr nicht Die Sonne von gestern lobtet: Schäm dich, Wie matt du brennst. Die Peitsche euch! Die ihr vom Blut des Genius lebt Und ans Kreuz des Gemordeten Eure grabschänderischen Kränze hängt: Seht, welch ein Gottl 80 GESELLSCHAFT Dieses laue Händedrücken, Abgemessene Verneigen. Lieber, Hände hinterm Rücken, Frei und ehrlich Farbe zeigen. WIR ZWEI Wir haben oft beim Wein gesessen Und öfter beim Grog. Beim Pf and Verleiher lag indessen Der Sonntagsrock. Wir haben die lustigsten Mädelgeschichten Ausgetauscht, An Abenteuer und an Gedichten Uns weidlich berauscht. Wir haben, o je, von unsern Schulden Uns vorgeklagt, Vertranken dabei den letzten Gulden: Nur nicht verzagt! Wir haben uns immer zusammengefunden, Wars Wetter schlecht; Und waren die greulichen Wolken verschwunden, Dann erst recht. Wir sind twei Kirschen an einem Stengel, Ein Zwiegesang, Ein Kanon, wie er von Bach bis Klengel Noch keinem gelang. Wir sind zwei Schelme. Wenn sie uns fangen, Philistergericht, Wir müssen an einem Galgen hangen, Sonst tun wirs nicht. Falke, Gedichte-Auswahl 8l 6 ZWANZIG MARK Herr Wirt, heut hab ich zwei Zehner im Sack, Dafür kann ich den König nicht kaufen, Und könnt ich ihn kaufen, zwei Zehner im Sack, Den König mit Krone und Orden und Frack, Ich lachte und ließ ihn laufen. Zwei goldene Zehner macht zwanzig Mark, Ja, zwanzig Mark, Und die, die will ich versaufen 1 Und hier auf dem Tisch, heraus aus dem Sack, Wie köstlich das klimpert und klappert I Zwei goldene Zehner heraus aus dem Sack, Zwei silberne Flaschen, herunter den Lack, Kein Tröpfchen werde verläppert. Zwei goldene Zehner macht zwanzig Mark, Ja, zwanzig Mark, Doch vor allem, Herr Wirt, nicht geplappert! Denn hört es ein Dritter, zwei Zehner im Sack, Die Stadt gleich wird es durchlaufen, Der Schneider, der Schuster, zwei Zehner im Sack, Die Wirtin, die Waschfrau, o Weiberschnack, Sie kommen und zetern in Haufen: Zwei goldene Zehner macht zwanzig Mark, Ja, zwanzig Mark, Und die, die will er versaufen! Und darum, Herr Wirt, zwei Zehner im Sack, Was rund ist, was rund ist, muß laufen, So lauf denn, mein Freund, zwei Zehner im Sack, He, tummel dich, hurtig! zwei Zehner im Sack, Zwei „Witwen" will ich mir kaufen. Zwei goldene Zehner macht zwanzig Mark, Ja, zwanzig Mark, Und die, die will ich versaufen! 82 ES REICHT NICHT Zwei „Witwen", Herr Wirt, kosten dreißig Mark? Ja, dreißig Mark. Da fehlt mir ein Zehner, da fehlt mir ein Quark, Da fehlt mir ein Bettel an dreißig Mark. Herr Wirt, da heißt es nun: borgen, Die Rechnung hol ich mir morgen. Zwei „Witwen", ich merk mirs, macht dreißig Mark, Ja, dreißig Mark. Ha, rasch noch ne dritte, ich zahle den Quark, Ich zahle den Bettel. Pah, dreißig Markl Sinds hundert, ich laß mich nicht lumpen; Sinds tausend, ich weiß sie zu pumpen. Drei „Witwen", Herr Wirt, was macht jetzt der Quark? Und Trinkgeld drei Markl Und Zinsen, Herr Wirtl Also fünfzig Mark. Ich zahle den Bettel, ich zahle den Quark. Und müßt ich ganz Hamburg ablaufen Und Hemd und Hosen verkaufen. HANS HAUNERLAND Hans Haunerland, ja, das war ein MannI Der griff sein Leben fröhlich an. Kehrte man bei Hans Haunerland ein, Hans Haunerland schenkte den besten Wein. Der reichste Bauer weit herum, Hans Haunerland fand das Darben dumm. Einst war er zur Fastelabendzeit Zu Schöneberg. Das war ein paar Stunden weit. Hans Haunerland dacht nicht an Hof und Haus, Hans Haunerland schenkte ein und trank aus, Da kam die große Flut des Jahrs Und schluckt ihm Haus und Hof — weg wars. 83 6* Hans Haunerland lachte: Verschluckt ist verschluckt, Da wird keine Kuh wieder ausgespuckt. Eine Hufe sind und sieben Katen noch mein, Wer rechnets mir um in roten Wein? Jetzt bleib ich in Schöneberg und lach der Flut, Weit davon lebt sichs noch einmal so gut. Eine Hufe und sieben Katen noch. Hans Haunerlands Hals war ein großes Loch. Alle sieben hat er hinuntergespült Und hat sie kaum einmal liegen gefühlt. Schluckt die See, er schluckt auch, Hans Haunerland, der fröhliche Schelm und Schlauch. Und als die letzte Kate verfloß, Hans Haunerland die fröhlichen Augen schloß. Hat alles verschluckt, was sein eigen im Raum, Bis auf einen mächtigen Walnußbaum. Der war ihm zu groß, den ließ er stehn, Der wollt« nicht durch die Kehle gehn. Und immer, führt mich der Weg nach dem Ort, Vor zwei Jahren war ich das letzte Mal dort, Dann schlag ich mir ein paar Nüsse herab . Und setz mich vergnügt auf Hans Haunerlands Grab. Und jedesmal, wenn eine Walnuß kracht, Hör ich deutlich, wie unten Hans Haunerland lacht. HANS SPORCK Trabt ein Regiment durch Westfalen, Bayrische Dragoner. Die prahlen. Wie Hans Sporck der Glanz in die Augen sticht. Hans Sporck war Kuhjung. Das paßte ihm nicht. Handschlag, und Hans Sporck vertauscht Die Kuh mit dem Pferd. — Die Fahne rauscht. Hin und her wogt die Kriegsflut. Hans Sporck Schwimmt lustig oben wie ein Kork. 84 Wo Tilly siegt, ist er auch dabei Und avanciert in der Reiterei. Zehn Jahre ziehn durch Bellonas Tor, Hans Sporck. ist Generalmajor. Kaiser Leopoldus hat Die Türken vorm Tor. Wackelt der Staat? An dreimalhunderttausend Heiden Gedenken bis Wien ihre Rosse zu weiden. Montecuccoli läßt die Fahnen wehn, Und Hans Sporck läßt Becher und Würfel stehn. Seit Ulm, wo Waffenruh dekretiert, Wurd nicht geritten und scharmütziert. Da freut sich ein ehrlicher Reitersmann, Wenn er wieder mal in den Sattel kann. Heidenhund lauf, Hans Sporck sitzt aufl Bei Sankt Gotthardt an der Raab Setzt Hans Sporck sich in Trab. Alle seine Regimenter Wirft er auf die türkischen Sakramenter. Wie ein Besen aus blanken Blitzen Weiß er dem Feind im Nacken zu sitzen. Montecuccoli reibt sich die Hände: Der Sporck bringts zu Ende! Hans Sporck reitet vor des Kaisers Haus Und schüttet seine Lorbeern aus: Zweimalhunderttausend und mehr Stoben wie Kehricht vor uns her, Und diesen schmierigen Turban hier Verlor auf der Flucht der Großvezier. Leopoldus mit frommem Bedacht Dankt Gott : „Ja, Sporck, hätte ders nicht gemacht !" Blitz, Springt Hans Sporck da vom Sitz Und schlägt auf den Degen und bricht sich Bahn; „Den Duiwei ook, Majestät, de hatt dat dann!" 85 NACHTWANDLER Trommler, laß dein Kalbfell klingen, Und, Trompeter, blas darein, Daß sie aus den Betten springen, Mordio Michel, Mordio! schrein, Tuut und trumm, tuut und trumm, Zipfelmützen ringsherum. Und so geh ich durch die hellen, Mondeshellen Gassen hin, Fröhlich zwischen zwei Mamsellen, Wäscherin und Plätterin: Links Luischen, rechts Marie, Und voran die Musici. Aber sind wir bei dem Hause, Das ich euch bezeichnet hab, Macht gefälligst eine Pause, Und seid schweigsam wie das Grab! Seht und hm, seht und hm, Sachte um das Haus herum. Meine heftige Henriette Wohnt in diesem kleinen Haus, Lärmen die wir aus dem Bette, Kratzt sie uns die Augen aus. Seht und hm, seht und hm, Sachte um das Haus herum. Lustig wieder, Musikanten! Die Gefahr droht nun nicht mehr; Trommelt alle alten Tanten Wieder an die Fenster her! Tuut und trumm, tuut und trumm, Zipfelmützen rings herum. 86 Ja, so geh ich durch die hellen, Mondeshellen Gassen hin, Fröhlich zwischen zwei Mamsellen, .Wäscherin und Plätterin: Links Luischen, rechts Marie, Und voran die Musici. VERTÄNDELT Man kommt wohl eine Weile her Und läuft nach Blumen kreuz und quer Und bunten Schmetterlingen, Doch mählich steigt ein Schattenrauch Und weht von Sternen her ein Hauch Und weht mit kühlen Schwingen. Dann hält nur noch die müde Hand Ein welkes braunes Blumenband, Zu Spiel und Tand gewunden. Und jäh erschrickt und schauert leis Das Herz und sieht des Lebens Kreis Sich unerbittlich runden. DER SCHRITT DER STUNDE, WENN DU SCHLAFLOS LIEGST Der Schritt der Stunde, wenn du schlaflos liegst, Und die Gedanken sich wie Schwalben jagen, Wenn sehnend du bis an die Sterne fliegst Und leer zurückkehrst, flügellahm, zerschlagen. Der Schritt der Stunde, wenn du schlaflos liegst, Und aus dem Dunkel starren stumme Klagen, Daß du dich schluchzend in die Kissen schmiegst Und weißt nicht ein und aus. Schon wird es tagen, Das Leben jauchzt auf tausend hellen Geigen, Du aber hörst nur durch den muntern Reigen, Nachzitternd, dumpf, wohin du fliehen magst, Den Schritt der Stunde, da du schlaflos lagst Und rangst und fühltest in fruchtlosem Klopfen An Gottes Pforten deine Kraft vertropfen. 87 GEFANGEN Aus einer engen, wirren Wildnis sucht Ich einen Ausweg, doch am Ende stand Mit einer wehrenden Geberde: Ich. Nicht heftig, aber zwingend. Also ruhig Und forschend richtete ich meinen Blick Auf mich, daß ich betroffen rückwärts trat Und langsam und von Graun gepackt entwich. Ich suchte einen andern Weg und fand Am Ausgang mich und ging zurück, und immer Fand ich am Ende eines jeden Wegs Denselben Wächter, daß ich schaudernd floh. Stolz, Ehrgeiz, Lüge, Wollust, Haß und Neid, Jedwede Leidenschaft trug meine Züge Und schreckte mich. Auch Gram und Liebesleid, Auch blasse Reue mit verquälten Seufzern, Und Wahnsinn mit erloschnen blöden Augen. So viel der Tore, so viel Hüter grinsten Mit einem lautlosen Zurück mich an. Dann aber fand ich einen scheuen Jungen, Dem deckte Scham die weichen Wangen, als er Mich kommen sah, und seine Miene sprach Fast demutvoll: Verzeih, daß ich hier stehe. Da faßte Wut mich: Fratze, bist du ich? Feigling, Erbärmling, gib mir Raum. Und jäh Schoß tieferer Purpur über seine Schläfen, Und seine Augen hob er meinem Schimpf Verwirrt entgegen. Und ich hob die Faust. Da fiel er totenblaß mir in den Arm, Und seine Augen riefen, schrien: Schlag nicht! Ich aber, zornig, rang mit ihm, und rang Drei Tage und drei Nächte lang, und warf Ihn nicht, und ließ erschöpft von ihm, und wich Schrittweis und Blick in Blick. Der seine war Voll stillen Vorwurfs und verstörter Scham. Und ich verkroch mich unter einen Busch, Und meine Wächter folgten mir und spähten Aufdringlich durch das schwarze Laub Und quälten mich. IN TIEFER SCHAM Ich weinte auf mein Brot und würgte dran Und konnts nicht würgen und stand auf vom Mahl Und ging hinaus ins kalte, kahle Feld Und bot dem Märzwind meine heiße Qual. An einem Dornbusch hing ein Fetzen Tuch. Wer warf es weg, wen wärmte es zuletzt? Vielleicht wie er bin ich ein Bettler nun, Und was so warm mich hielt, ist ganz zerfetzt. Wenn du dein Herz in deine Hände nimmst Und gibst es hin, da, nimms, und ohn Entgelt, Man nimmt es, dankt und wirft dirs plötzlich hin: Ich mags nicht mehr! dann stirbt dir eine Welt. Dann stehst du da, entblößt und bettelarm Und weißt nicht hin vor Scham, vor nackter Scham. DER TRÄUMER Ich, du und die mich schelten, Sind Blüten an einem Baum, Gott und die rollenden Welten, Wir alle sind ein Traum. Ihr scheltet meine Träume, Wenn auch mit mildem Wort, Daß ich das Hier versäume Um ein erdichtetes Dort. 89 Wohl bleib ich fern den Toren, Was auch ihr Tun beginnt, Die da nach Quellen bohren, Wo keine Quelle rinnt. Ich suche mir das Wasser, Dessen meine Seele bedarf, Den Quell, in den kein Hasser, Kein Neidling Steine warf. Und meine Eimer steigen Hinab, herauf in Ruh, Die Tiefe wird mein Eigen, Leben fließt Leben zu. Und wenn es steigt und flutet Und füllt die Seele ganz, Und auf der Fülle glutet Von oben her ein Glanz — Da hebt von selbst zu tönen Die volle Tiefe an, Das laß ich mir nicht höhnen, Meine Seligkeit hängt daran. Wollt ihr um andres schmälen, Da lächle ich nur still, Mag jeder sein Rößlein wählen Und reiten, wie er will. Sitz er nur fest im Bügel Und wisse, wohin es geht: Nach einem kleinen Hügel, Darüber Vergessen weht. Genug, wenn eine Platte Mit einem Sprüchlein drin Das Grab mir deckt: Er hatte Ein Herz und gab es hin. 90 DER ALTE Nun steh ich über Grat und Kluft In abendlichen Rosen Und höre durch die klare Luft Das Leben tief vertosen. Ein Adler rauscht ins Tal hinab, Wo meine Toten schlafen, Was ich geliebt dort unten hab, Weiß ich in sicherm Hafen. Und bin nun über Leid und Zeit Und meinen Sternen näher Und schaue in die Ewigkeit, Ein stillgemuter Späher. Durch eine selige Bläue schwimmt Ein Nachen da herüber, Naht, neigt den schwanken Bord und nimmt Sanft schaukelnd mich hinüber. HALT ZU DIE TÜR! Ich sehne mich wohin, weit, weit, Wo frei der Weg und frei der Wind, Wo stille Wälder schattend stehn, Wo keine Augen fragend sehn: Du wunderliches Menschenkind. Ich hungere nach Heimlichkeit. Zu viel hab ich der Welt vertraut. Was stieß ich auf des Herzens Tor? Die blöde Menge steht davor, Hat in mein Heiligstes geschaut. O sei nicht allzugastbereit. Halt zu die Tür, halt zu die Tür! Ein Winkel muß dein eigen sein, Wohin kein Fremder sich drängt ein, Und bot den Himmel er dafür. 9i WENN ICH STERBE Legt rote Rosen mir um meine Stirne, Im Festgewande will ich von euch gehn, Und stoßt die Fenster auf, daß die Gestirne Mit heiterm Lächeln auf mein Lager sehn. Und dann Musik! Und während Lieder schallen, Von Hand zu Hand der Abschiedsbecher blinkt, Mag mählich über mich der Vorhang fallen, Wie Sommernacht auf reife Felder sinkt. ZWISCHEN TAG UND ABEND Dämmerung bringt mit weichen Händen Friedevolle Ruh, Träumen ohne Ende, Wandeln ohne Wende, Schönern Sternen zu. Und ich fühl mich hingetragen, Wo die reinen Flammen wehn, Singend um den Sonnenwagen Selig heitere Scharen gehn. Über Wolken, über Welten, Triumphatorschritt, Ziehen sie den Neugesellten, Den Erhöhten, den Erhellten, Ihre goldne Straße mit. 92 Inhalt Aus Schweigen Der Schnitter . . Ein Harfenklang „ „ . . Nachts in der träumenden Stille . Tanz und Andacht Dichterrausch Der Schnitter . . Gebet „ Was will ich mehr! Herddämmerglück Zwischen zwei Nächten .... Tanz und Andacht Ein Tageslauf Herddämmerglück Sonnenblumen Tanz und Andacht Am Himmelstor Herddämmerglück Die Gedenktafel „ Meine Gläubiger „ Morgengang Der Frühlingsreiter Auf einem andern Stern . . . Tanz und Andacht Konfirmation Herddämmerglück Lockung Der Frühlingsreiter Optische Täuschung „ „ Das mitleidige Mädel . . . . „ „ Das Herz Der Schnitter . . Die Verschmähte Der Frühlingsreiter Das Mädchen mit den Rosen Der Schnitter . . Das Gartenfest „ . . Der Reiter Herddämmerglück Der törichte Jäger Der Schnitter . . 93 Seite 5 5 6 6 7 9 9 II 12 12 13 »4 16 17 18 20 21 22 23 23 24 24 Aus Sommerglück Der Schnitter . . Auf Flügeln Herddämmerglück Von weißen Rosen „ Fromm Märchen „ Eine Liebe „ Der Parkteich „ Besitz „ Erinnerung „ Aus dem Takt „ Heimkehr „ Tempelhüterin „ Späte Rosen „ Vor Schlafengehen „ Meinem Kinde „ Musik . . n Es schneit . . „ Die Bodenkammer .... „ Die feinen Ohren „ Künstler. . . „ Konsequenz „ Unschuld ,. Ein Frühlingslied Der Frühlingsreiter Lütt Ursel Herddämmerglück De Snurkers Hohe Sommertage Lütt Greten . Speckters Vogelbuch DöntJe Lütt Aanteken . „ „ Ausfahrt? Speckters Katzenbuch Kinderreim . . . . . . . . Herddämmerglück Die Sorglichen Der Frühlingsreiter Der Frühlingsreiter „ „ Begegnung Tanz und Andacht Ein Gang durchs Fischerdörfchen „ „ „ 94 Au« Die Morgenpredigt Der Schnitter . . De lütt Boom Tanz und Andacht Der rechte Ort „ „ „ König Sommer Der Schnitter . . Der Trauermantel „ „ . . Einsame Kate ....... „ „ . . Das Mohnfeld Tanz und Andacht Das Birkenbäumchen .... „ „ Der schlafende Wind .... „ „ r In der Nacht „ „ Verschwiegen „ „ „ Nach Jahren Herddämmerglück Idyll Der Schnitter . . Gesang der Muscheln .... Tanz und Andacht Regen Der Schnitter Unheimliche Stunde „ „ Was war es? „ „ Der Rittmeister „ Die zierliche Geige Gestorben Tanz und Andacht Die Danaide Der Schnitter . . Die Regeninsel Tanz und Andacht Der Beter Die Welle Der Schnitter . . Das Geisterschiff Hohe Sommertage Das Opferkind Tanz und Andacht Thies und Ose „ „ „ Die Falte „ „ Die Peitsche euch! Der Frühlingsreiter Gesellschaft Herddämmerglück Wir zwei Der Frühlingsreiter Zwanzig Mark ........ „ Es reicht nicht „ „ Hans Haunerland Seite 54 55 55 56 56 57 5« 59 6o 6i 6i 6i 62 63 64 65 65 66 68 70 7i 7» 73 74 75 75 77 79 79 81 81 82 83 83 95 Aus Hans Sporck Der Frühlingsreiter Nachtwandler „ „ Vertändelt Tanz und Andacht Der Schritt der Stunde .... „ „ „ Gefangen „ In tiefer Schani Herddämmerglück Der Träumer . „ Der Alle . Der Schnitter . . Halt zu die Tür! Tanz und Andacht Wenn ich sterbe Der Schnitter . . Zwischen Tag und Abend . . „ „ . . 96 University of Toronto Library DO NOT REMOVE THE CARD FROM THIS POCKET Acme Library Card Pocket Under Pat "Ref. Index File- Made by LIBRARY BUREAU